Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Das Jubiläums-Konzert der Big Chris-Barber Band beim Jazzclub Rheinhessen beginnt wie seit Jahrzehnten mit der „Bourbon-Street Parade“, jener Komposition Paul Barbarins aus dem Jahr 1949, die bei Chris Barber so frisch und lebendig klingt wie in ihrem Geburtsjahr. Den Jazz aus der Geburtsstadt der schwarzen Musik machte der weiße Brite Chris Barber in einer simplifizierten Form als Revival vor nunmehr 60 Jahren hit-reif und modernisierte ihn erfolgreich durch die Hereinnahme modernerer Kompositionen. So interpretierte „The Big Chris Barber Band“ die 1958 geschrieben Miles-Davis-Komposition „All Blues“ in einer Sextett-Formation mit einem modal angehauchten Solo Richard Exalls auf dem Altsaxophon, einem harmonisch reizvollen Basslauf von Jackie Flavelle sowie Davis-typischen Linien auf der gestopften Trompete von Mike Henry über den ostinaten Riffs der drei Saxophone.
Die kunstvollsten Arrangements des Abend steuert der Posaunist Bob Hunt mit bluesgetränkten Ellington-Kompositionen bei. Auf faszinierende Weise trifft er den Ellington-Sound mit den Djungle-Moods und Growl-Effekten in fünf Stücken wie der „Black & Tan Fantasy“ oder „Merry Go Round“. Der Arrangeur setzt dabei vor allem auf gestopfte Trompeten und Posaunen. Chris Barber spielt kraftvoll und growlend, Hunt lässt sein Solo sanft in einem durch Zirkularatmung lang gehaltenen Akkord verschweben, bevor dann ein vielstimmiges Tutti energiegeladen zum Finale bläst. Diesen Kollektiven ist vor allem der fantastische Chris-Barber-Sound zu verdanken, der trotz der kleineren Besetzung an den einer ausgewachsenen Bigband heranreicht. Gleißende Trompeten, sonore Posaunen und singende Saxophone treffen verflochten, voller Power, aber keineswegs brachial zusammen.
Ganz in der Tradition der Funeral-Bands interpretierte die Band ihr „When the saints go marching in“: Getragen und mit sakraler Hymnik im ersten Teil sowie beschwingt und schnell die Rückkehr vom Begräbnis im zweiten Teil. Saxophonistin Amy Roberts greift zur Flöte und das Finale nutzt Schlagzeuger Gregor Beck zu einem rhythmisch vielschichtigen Solo.
In diesem Jahr steht der inzwischen 83 jährige britische Bandleader seit 60 Jahren auf der Bühne. Für den charmanten Entertainer bietet dieses Jubiläum Stoff für einen Rückblick auf die 50-er Jahre, die er mit Anekdoten aus der gemeinsamen Zeit mit Ken Colyer nutzt. Zwar in deutscher Sprache, aber fast unverständlich nuschelnd, erzählt er, wie Kollege Colyer wegen eines fehlenden Passes nach einem Gastspiel in New Orleans ausgewiesen wurde. „Es war eine Heimreise in der ersten Klasse“ witzelt der Senior, dem man sein Alter nicht anmerkt, wenn er kraftvoll die Posaune bläst und auf der Bühne zum Spiel seiner Mitmusiker tänzelt. Barber erinnert sich an die Zeit, als er Jazz nicht studieren konnte, sondern beim vielfachen Anhören von Schallplatten lernte.
Inzwischen dürfte die Zahl der jüngeren Musiker, die sich mit der Musik von Barber ihre Sporen verdienen, in die Tausende gegangen sein. Und die Zahl seiner Fans hat in den sechs Jahrzehnten offensichtlich ebenso wenig abgenommen, wie die Begeisterung in den Konzerten.
Zu diesem Erfolg tragen Millionseller wie das berühmte „Petite Fleur“ bei, das vom Publikum des Konzertes in der Nieder-Olmer-Eckes-Halle mit dem bekannten „Aha-Erlebnis quittiert wird. Bert Brandsma spielte es lyrisch und gefühlvoll auf der Klarinette, bevor das Konzert mit dem unvermeidlichen „Ice-Cream“ ausklingt.