SWR-Preisträgerkonzert mit Alexander von Schlippenbach in Mainz, 13. Juni 2007

Tatort „Worms – Jazzclub Tunnel 64“: Der Pianist Alexander von Schlippenbach spielt in den Quintetten von Gunter Hampel und Manfred Schoof, als der Free Jazz in Deutschland Fuß fasst. Eine aufregende Musik, die das Herz des Zuhörers im „pulse“ der Musik schlagen lässt. Jetzt, 43 Jahre später, ergeht es dem Zuhörer beim Konzert des Jazzpreisträgers 2007 im Foyer des Mainzer SWR nicht anders. Die Musik hat nichts an ihrer mitreißenden Energie, kreativen Spontanität, sprunghaften Dynamik und zeitlosen, herben Schönheit verloren. Die solistischen Spontankompositionen des Pianisten sowie die kollektiven Improvisationen des Trios mit dem Saxophonisten Evan Parker und dem Schlagzeuger Paul Lovens belegen, dass die Jury des mit 10 000 Euro dotierten Jazzpreises – den das Land und der SWR zum 26. Mal vergeben – zu Recht dem 69-jährigen Free-Jazz-Pionier und –Bewahrer zugesprochen hat.

Auf der Bühne im Foyer des Funkhauses tupft der Pianist in der tastenden Einleitung ein paar Single-Notes in den Flügel. Den kleinen Melodiefragmenten setzt er rhythmisch verschobene Akkordreihen entgegen. Ins freie Spiel werden rhythmisch gebundene Passagen eingeschoben. Nach einem hart angeschlagenen, rasenden und sperrigen Lauf wechselt von Schlippenbach abrupt zueinigen hingeworfenen Einzeltönen, kurzen Melodielinien, wirbelnden Läufen und explosiven Handballen-Cluster. Nach ostinaten auf- und absteigenden Variationen wird das Spiel betont percussiv. Der Pianist zitiert unter anderem Monk, erinnert an den Zwölfton-Komponisten Bernd Alois Zimmermann, der einst sein Lehrmeister war. 

Von Schlippenbach improvisiert über die „Twelve Tone Tales“, jene Solo-CDs, die neben der seit vier Jahrzehnten andauernden Arbeit mit dem Free-Jazz „Globe Unity Orchestra“ für die Jury ausschlaggebend für die Verleihung des Jazzpreises waren. Von Schlippenbach sei es gelungen, die Zwölfton-Musik-Prinzipien in den Jazz einfließen zu lassen, erläutert Reinhard Kager von der SWR-Jazzredaktion. „Den ungestümen und doch stets kontrollierten Free-Jazz-Musiker, der seine geballte Kraft in hochenergetische Improvisationen verwandelt“, lobt Hörfunk-Direktor Bernhard Hermann bei der Überreichung der Urkunde. 

Powerplay in einem dichten und komplexen sowie vielschichtigen Kollektiv kennzeichnen denn auch die Stücke des Trios, das im zweiten Teil des Konzertes das Publikum zu Ovationen hinreißt. Im Duo von Piano und Percussion nutzt Lovens Metalltäfelchen zur Lauferzeugung, während von Schlippenbach Akkordeinwürfe beisteuert. Einige Monk-Phrasen zum durchlaufenden Beat auf denBacken ufern pulsierend aus. Freies Spiel wird dann zur Kunst, wenn es sich in dieser Freiheit dialektisch zur neuen Einheit entwickelt. Das Zusammenspiel ermöglicht nach langen Jahren der Trioarbeit traumhafte Interaktionen der Musiker mit den sperrigen Läufen und Akkordschichtungen auf Schlippenbachs Piano, den endlos schnatternden Stakkati und in Zirkularatmung ungestüm voraneilenden Läufen auf Evans Tenorsaxophon sowie der polyrhythmischen, frei pulsierenden Percussion auf den Becken, Trommeln und allerlei Klangwerkzeug von Lovens. So entwickelt sich ein mitreißender musikalischer Kosmos – wahrhaft preiswürdig.

Er wünsche sich, sagt Alexander von Schlippenbach in seiner Antwort auf die Laudatio und mit einem eindringlichen Appell an die Rundfunkanstalten, dass man den Free-Jazz nicht nur fördere, sondern vielmehr aufführe und sende.

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