Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
„Als ich ein Kind war, spielte ich ganz allein in einer Ecke des Schulhofs… Wenn irgendwer nach mir suchte, versteckte ich mich hinter einem Baum und schrie: Ich bin eine Waise. Und hier bin ich, die Ausgeburt aller Schönheit! Autor dieser Gedichte! Unglaublich!“ Ein Trio leitet diese „autobiographia literaria“ des amerikanischen Dichters Frank OHara mit Duke Ellingtons „C-Jam Blues“ ein. Swingend auf dem Keyboard, mit straight gezupften Basslinien und filigranem Schlagzeug setzen die Musiker mit dem melodischen „Waltz für Debby“ von Bill Evans anschließend einen Kontrast.
„Lyrik & Jazz“ nennt der Saulheimer Pianist Wolfgang Thomas das Projekt, bei dem ein Trio mit dem Schlagzeuger Willy Cherbettian und dem Bassisten Sascha Teuber die Texte Frank O´Haras, ins Deutsche übertragen und rezitiert von Heinrich Heftrich, musikalisch illustrieren. Es ist swingender, kammermusikalischer Jazz, ästhetisch und elegant zumeist. Zweimal agieren die Musiker in metrisch und harmonisch freien Interaktionen, wenn sie expressive Gedichte unterlegen. Zu „Ein Tag im Juli trommelt Cherbettian frei pulsierend, Teuber streicht den Bass mit schrägen Harmonien und klopft auf den Korpus des Instruments. Etwas öfter, aber dennoch sparsam eingesetzt, wünscht man sich solch freies Spiel, wenn der Fluss der reimlosen Poems O´Haras es rechtfertigt.
Das Trio hat bewusst Kompositionen von Thelonious Monk ausgewählt, dessen kontrastreiche, sperrige und skurrile Spielweise eine musikalische Seelenverwandtschaft mit O´Hara offenbart. Sicher hat auch der Dichter selbst, der im Hauptfach Musik studierte und komponierte, ein besonderes Verhältnis zu Monk. So wie er in seinem Poem „Am Tag, als Lady starb“ der Sängerin Billie Holiday huldigte und den Pianisten Mal Waldron erwähnte, jenen Jazz-Musiker der mit seiner morseartigen, repetitiven Melodisierung O´Haras Lyrik nahekam.
Mit einer klugen Auswahl der Kompositionen von Miles Davis, Thelonious Monk, Bill Evans , Cannonball Adderley oder Sonny Rollins illustrieren die drei Musiker die ausdrucksstarken Rezitationen Heinrich Heftrichs sensibel und nie aufdringlich. O´Hara schrieb Liebesgedichte, poetische Schilderungen aus der Großstadt New York und vor allem jene „Lunch-Poems“, die er als Kuratorassistent des Museums of Modern Art in seiner einstündige Mittagspause aufs Blatt warf: Stegreif-Gedichte, surrealistische Ergüsse und geistreiche Sprüche.
Heftrich hat mit seinen deutschen Nachdichtungen den Geist O´Haras trefflich pointiert. Das Trio um Initiator Wolfgang Thomas erweist sich als ein technisch und musikalisch ausgereiftes sowie glänzend eingespieltes Team.
Die Zuhörer in der Scheune von Wolfgang Thomas´ Anwesen zollen der Premiere des Projekts „Lyrik & Jazz“ begeisterten Applaus. Weil es nach einer solchen musikalischen Lesung naturgemäß keine Zugabe geben kann, belohnt die Sängerin Jill Gaylord gemeinsam mit dem Trio und der „Route 66“ das faszinierte Publikum.