Lebiderya – Grenzgänger zwischen Orient und Jazz

Foto und Text: Klaus Mümpfer

„Lebiderya“ ist eine der Überraschungen des Wormser Festivals Jazz & Joy 2013. Der Name der Formation lässt sich mit „am Rande des Ozeans“ übersetzen, bezeichnet sinnbildlich den Ort, an dem Küste und Festland eine Verbindung suchen oder aber abendländische und orientalische Kulturen aufeinander treffen. Die Musiker von „Lebiderya“ pflegen deshalb die Verschmelzung von Rhythmen und Klängen der nahöstlichen Kulturen und des Jazz. Es entsteht ein Musik von reizvoller Ästhetik und pastell getönter Kontemplation.
Die Gruppe aus dem multikulturellen Mannheimer Stadtteil Jungbusch besteht seit gut dreieinhalb Jahren. Sie ist entwachsen der „Orientalischen Musikakademie“, die vor rund fünf Jahren in dem überwiegend von Türken bewohnten Stadtteil der Rhein-Neckar-Metropole ihre Pforten öffnete. Ihr erste CD „Orientation“ veröffentlichte „Lebiderya“ im Jahr 2011 (Besprechung im Jazzpodium). Im vergangenen Jahr zählte die Formation zu den Finalisten für den Bremer Jazzpreis, der neben dem künstlerischen ein dezidiert gesellschaftliches Anliegen verfolgt. Er will erfahrbar machen, welcher kulturelle Reichtum sich durch die unterschiedlichen musikalischen Hintergründe und Herkünfte entfalten kann.
Die Mannheimer Gruppe kommt diesem Anspruch sehr nahe. Ihr geistiger Vater ist der Türke Muhittin Temel, der auch Mitbegründer der Akademie war. Ihm zur Seite stehen Joss Turnbull, Stefan Baumann und Johannes Stange. Temel zupft die türkische Harfe Kanun. Er legt damit einem melodischen Teppich unter den Gruppenklang oder verführt mit filigranen und ziselierten Soli. Joss Turnbull ist ein Derwisch seines vielfältigen Instrumentariums mit Trommeln aus allen Erdteilen. Er sorgt für das verschachtelte und treibende Rhythmusgeflecht, wenn er die lateinamerikanischen und orientalischen Handtrommeln schlägt oder kunstvoll die iranische Kelchtrommel Tombak.
Muhittin Temel begann 1992 bei Eyüp Firat die Kanun zu lernen. Unter Aufsicht des Komponisten und Lautenspielers Ismet Alpaslan erwarb er Grundkenntnisse der türkischen Klassik, in Gesang und Theorie. 1996 begegnete er dem berühmten Kanun-Spieler und Komponisten Göksel Baktagir, dessen Schüler er seitdem ist.
Joss Turnbull lernte bei seinem Vater Mike orientalische und lateinamerikanische Handtrommeln kennen und begann sich mit 15 Jahren auf die Rahmentrommel Mazhar zu spezialisieren. Mohammad Mortazavi eröffnete ihm den Zugang zur persischen Trommelkunst auf der Tombak. Seit 2007 studiert Turnbull Percussion an der Musikhochschule Mannheim. Vor zwei Jahren besuchte er zusätzlich das Konservatorium für türkische Musik in Istanbul
Johannes Stange übt seit seinem siebten Lebensjahr Trompete. Später lernt er den warmen Klang des Flügelhorns lieben. Sein Studium an der Musikhochschule Mannheim absolvierte Stange mit Bestnoten. Darauf aufbauend begann er im Herbst vergangenen Jahres, seinen Master-Studiengang in Arrangement und Komposition. Stange ist Mitglied des BuJazzO und des bayrischen Jugendjazzorchesters.
Stefan Baumann, der Vierte im Bunde, begann mit klassischem Saxophonunterricht und studierte von 2007 bis 2012 an der Pop-Akademie in Mannheim.
Mit ihren minimalistischen Percussions-Figuren, schwebenden Trompeten- Klarinetten- oder Saxophonläufen sowie dem zarten Singlenote-Spiel auf der Kanun will die deutsch-türkische Gruppe Brücken zwischen Musikkulturen schlagen. Der Kritiker Ulrich Olshausen formulierte, dass eine Völkerverständigung selten schön geklungen habe. Ein Konzert mit Lebiderya führt in eine Welt voll lyrischer Poesie und rasanten Rhythmen. So soll „Oriental Jazz“ mit kammermusikalischen und folkloristischen Elementen klingen.

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