Larry Adler würde am 10. Februar seinen 100. Geburtstag feiern

Larry Adler Foto: Hans Kumpf
Text und Photos: Hans Kumpf 

Der Herr mit der Mundharmonika

New York/Trossingen. Am 10. Februar vor 100 Jahren wurde der wohl beste Mundharmonikavirtuose aller Zeiten geboren: Larry Adler. Wer ihn beispielsweise mit George Gershwins Klavierkonzert „Rhapsody in Blue“ samt Orchesterbegleitung gehört hat, mag sich wundern, was man alles aus einem vermeintlich einfachen „Goschenhobel“ hervorzaubern kann. Bis ins hohe Alter blieb Larry Adler musikalisch aktiv. Er starb am 7. August 2001 mit 87 Jahren in London.

Spätestens sein eigenes Geschenk zum 80. Geburtstag bescherte dem im amerikanischen Bundesstaat Maryland geborenen Künstler allergrößten Weltruhm. Bei der CD „Glory of Gershwin“ musizierten 1994 mit Larry Adler so arrivierte Pop-Stars wie Sting, Chris de Burgh, Cher, Kate Bush und Elton John. Musikalischer Macher war hier der Beatles-Produzent George Martin, der nun unter eigenem Namen seine kompositorischen Fähigkeiten ausleben konnte. Die oft ausgestrahlte TV-Dokumentation der Aufnahmesession zeigte, wie entspannt und konzentriert zugleich der dynamische Maestro mit seinen jungen Kollegen arbeitete. Und nebenbei demonstrierte Adler noch, dass er auch in Pop-Business-Umgebung vom jazzenden Improvisieren nicht lassen konnte. Seine chromatische Mundharmonika hatte er längst zuvor zu einem vollwertigen Melodieinstrument emanzipiert, das in seinem intellektuellen Sound kaum mehr an biedere Volkmusik oder an Cowboy-Romantik erinnerte. 

Als ich im August 1979 Larry Adler in New York persönlich kennen lernen durfte, geschah dies mehr oder weniger zufällig. Im Frühstücksfernsehen hatte ich zufällig den galanten Herrn mit der Mundharmonika gesehen, und am Abend wollte ich im Lokal „The Cookery“ die ergraute Vokalistin Alberta Hunter (1895-1984) erleben. Doch mit dem Konzertbesuch bei der alten Dame wurde es nichts, da diese sich nach dem wochenlangen Club-Engagement ein paar Urlaubstage gönnen wollte. Als ihr Vertreter fungierte nun Larry Adler, der vor relativ wenigen Zuhörern mit Klavierbegleitung aufspielte. Da ich eine Reportage über die New Yorks Musikszene intendierte, kam ich mit dem Altmeister ins Gespräch. Schnell waren wir bei thematisch bei „Summertime“ angelangt, und Larry Adler erzählte mir voller Stolz, dass er einst das aus der Oper „Porgy and Bess“ stammende Evergreen mit dem Komponisten George Gershwin (1898-1937) höchstselbst gespielt habe. 

Larry Adler erblickte am 10. Februar 1914 als Kind russisch-jüdischer Einwanderer in Baltimore das Licht der amerikanischen Glitzerwelt, entpuppte sich alsbald auf der Mundharmonika als Wunderkind, flog aber wegen renitenten Verhaltens aus dem Musikkonservatorium seiner Heimatstadt. Noch als Teenager startete er in New York seine Karriere und knüpfte viele Kontakte. Zu seinen Freunden und Bewunderern zählten neben Gershwin auch die Tonschöpfer Darius Milhaud und Maurice Ravel.

Spektakulär verliefen seine Auftritte am 4. Juli 1945 vor GIs. Zum amerikanischen Unabhängigkeitstag intonierte Adler zunächst auf dem Reichstagsgelände in Nürnberg Gershwins „Rhapsody in Blue“, kurze Zeit später musizierte er zusammen mit der Schauspielerin Ingrid Bergman, mit der er eine liebevolle Liaison eingegangen war, auf dem Balkon der ehemaligen Reichskanzlei in Berlin. Wenig später wurde der Musiker ein Opfer politischer Hysterie. In den USA hatte man ihn als angeblichen Kommunisten denunziert – und der erzürnte Adler floh 1949 nach London, wo er danach seinen ständigen Wohnsitz einnahm. Obwohl er zwei Schlaganfälle hinter sich hatte sowie von einer Lungenentzündung und Krebs gezeichnet war, plante Adler noch kurz vor seinem Tod im Jahre 2001 eine Konzertreise durch China.

Dank der Trossinger Firma Hohner können auch zukünftig weniger begabte Mundharmonika-Bläser auf diversen Modellen namens „Larry Adler“ spielen. Da gibt es eine „sehr klassische Chromonica-Serie“ (Werbung), die vormals von dem legendären Amerikaner wurde.

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