Die fünf Musiker betreten „Enders room“, wandern durchs Elektroland, unternehmen eine Zeitreise von der Bebop-Tradition des Jazz zum Elektronik-Pop, der unscharf unter Nu-Jazz rubriziert wird. Teils melodiöse, dann wieder expressive Jazz-Ausflüge werden eingebettet in Synthesizer-Sounds und stupenden Beat des Drum-Computers. Das ist nicht neu, wird aber unter der Diktion des Saxophonisten Johannes Enders auf besonders geglückte Weise und ohne stilistische Brüche zur Symbiose. Eine Aussöhnung des Jazz mit der digitalen Revolution.
Johannes Enders habe die Jury vor allem durch „die gelungene Verbindung traditioneller Jazzelemente mit neuen elektronischen Klängen“ überzeugt, zitierte SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann beim Konzert im Mainzer Funkhaus die Begründung für die Verleihung des mit 10000 Euro dotierten Jazzpreises, der vom SWR und dem Land Rheinland-Pfalz je zur Hälfte finanziert wird. Hervorgehoben hat die Jury die jüngste Enders-CD “Monolith“, auf der sich die stampfende Drum&Bass-Elektronik nie in den Vordergrund dränge, sondern in den Dienst eines jazzigen Grooves gestellt werde.
Das Konzert indessen zeigte weniger eine Unterordnung der Computer-Beats als vielmehr ein gleichberechtigtes Neben- und Miteinander. “Monolith“ sei zudem alles andere als monolithisch, befand die Jury. Denn neben seinem Quintett, dem der Bassklarinettist Ulli Wangenheim, der Keyboarder Jan Eschke, der Bassist Andy Kurz und der Schlagzeuger Andy Haberl angehören, lud der Saxophonist auch zahlreiche Gäste in „Enders Room“ ein – etwa die Sängerin Rebekka Bakken und den Gitarristen Wolfgang Muthspiel.
Bei Preisträgerkonzert in Mainz sollte der Posaunist Albert Mangelsdorff mit seinem vielstimmigen Spiel den Sound des Quintetts ergänzen. Indes ein Unfall mit einem Bruch in der rechten Schulter des Stars verhinderte dies.So erklangen denn die komplexen und spannungsgeladenen Kompositionen ohnesolche zusätzliche Klangfarben. Doch das trübte nur wenig den Genuss der Bassklarinettensoli in den tiefen und aufgerauten Lagen, die ekstatischen Stakkati auf dem Saxophon, die oftmals geradezu klassischen, straight gezupften Basslinien und die swingenden Läufe auf dem Flügel. Eingebettet waren diese traditionsverhafteten Bebop-Reminiszenzen in den maschinenhaften Beat des Drumcomputers und die stampfenden Bassakkorde, die Enders aus seinem Laptop einspielte. Darüber trommelte mit treibenden Pulse Haberl seine rhythmischen Figuren. Eschke wechselte unterdessen an die Keyboards und ließ das Instrument schrill schreien. Trügerische Wohlklänge wurden erbarmungslos zerrieben, nachdem sie gerade liebevoll aufgebaut worden waren: mit Paukenschlägen, Con-Arco-Spiel auf den Basssaiten und schwebenden Saxophonlinien.
In Enders Room wechseln sich sanfte Passagen mit kreischenden Crescendi ab, abrupte Dynamiksprünge bringen Spannung ins Spiel. Der Zuhörer vergisst, dass er ähnliches – wenn auch auf andere Weise – von anderen Gruppen kennt, denn diese Verbindung folgt einem Trend, der fast schon zur Modeerscheinung geworden ist. Doch zum Glück haben Enders und seine Freunde auf diesem Feld souverän ihr Maß an Eigenständigkeit bewahrt.
Albert Mangelsdorff, der allgegenwärtige, inzwischen 75 Jahre alt gewordene Repräsentant des deutschen Jazz, wurde an diesem Abend für sein Lebenswerk geehrt. Reinhard Kager, Leiter der SWR-Jazzredaktion überreichte dem Frankfurter Posaunisten eine Kassette, in der auf 16 CDs alle bemerkenswerten Aufnahmen gebrannt sind, die der Sender in seinem Archiv auffinden konnte. Damit werde ihm die Zeit der Rekonvaleszenz nicht langweilig, kommentierte Albert Mangelsdorff das Geschenk.