Fotos und Text: Klaus Mümpfer
Die Augen der Zuschauer vermögen der Schlagzahl der rechten Hand auf der Gitarre kaum zu folgen, wenn Joe Sachse sich in rasanten Läufen gemeinsam mit John Marshall am Schlagzeug und Fred Baker am Bass dem Trio-Crescendo nähert. Sachse hat die klassische Arbeitsteilung der Hände beim Gitarrenspiel aufgegeben und entwickelte eine beidhändige polyphone Fingertapping- und Percussionstechnik, die er auf Saiten und Korpus reißt und schlägt sowie mit verzerrtem Sound kombiniert. Zusätzliche Soundeffekte mit Glissandowirkung zaubert Sachse mit Hilfsmitteln wie einem Schraubenzieher auf den Stahlsaiten. Solche ebenso kreative wie virtuose Klangschöpfungen lassen sein Spiel artistisch wirken. Doch man nimmt ihm ab, dass er diese zirzensischen Läufe nicht als Selbstzweck praktiziert. In seinen Sound-Basteleien sind die Bezüge zu Jimi Hendrix zu erkennen, dem Sachse zwei CDs widmete und die ihm einst den Titel „Hendrix der DDR“ einbrachten.
Bei diesem Konzert der nur zwei Auftritte umfassenden Mini-Tournee integriert sich Sachses Spiel in die energetische und ausschweifende Jazz-Rock-Konzeption des Trios mit dem früheren Soft-Machine- und Nucleus-Drummer John Marshall sowie dessen Freund aus der Soft Machine Legacy-Zeit, dem Bassisten Fred Thelonious Baker. Extreme Dynamiksprünge, selten zarte Gitarrenläufe und swingende Beats, meistens dagegen rasend schnelle und rhythmisch vielschichtige Interaktionen prägen das Spiel von Sachse, Marshall und Baker. „Nasobem“, eine Komposition nach einem Gedicht von Christian Morgenstern hebt mit einem hart rockenden Up-Tempo-Lauf an, wechselt zu einer melodischen Passage, um dann wiederum abrupt in ein Hochgeschwindigkeits-Crescendo zu münden und mit einem Schlagzeug-Solo zu enden. Sachses Bewunderung gilt nach eigener Aussage Marshall, der die Phrasen der Themen umspielt und dabei, nie wiederholend, die Kompositionen „kommentiert“. Das Lob schießt auch Baker ein, der mühelos zwischen Basslinien und Melodie wechselt sowie frei kontrapunktisch Läufe zupft. Bakers Soli überzeugen mit reizvollen harmonischen Wendungen und Verzierungen des Themas und laufen nur selten straight im Grundrhythmus. Fasziniert lauscht der Zuhörer in der Zugabe „The Mill“ einem trotz der Lautstärke sensiblen Ruf-Antwort-Spiel von Bass und Gitarre.
Ins Ohr gehen beim Konzert auf Einladung der Mainzer Kulturinitiative „Up-Art“ vor allem die Flamenco-gesättigten Kompositionen wie „Der Geist von Toledo“ oder „Für Oki“ mit den eingängigen Gitarren-Läufen und den melodischen Bass-Linien. Dann kann Sachse sein doppelt percussives Spiel auf der Gitarre ausleben. Der Gitarrist klopft auf die Rückseite des Gitarrenhalses, während er zugleich die rhythmisch verzwickten Saitenläufe anreißt und beides mit Glücksschreien quittiert. Eingeschoben zwischen die schnellen Jazzrock-Stücke sind etwa beim „Altersswing“ Experimente mit Sound-Collagen auf Gitarre und Bass, die vom frei pulsierenden Schlagzeug abgerundet werden.
„Wir wollten mal was anderes präsentieren als Jazz“, meint ein UpArt- Mitglied spaßhaft. Die humorvollen Energieausbrüche des „One Take“-Trios bereiteten den zahlreichen Zuhörern im Café „7-Grad“ offensichtlich so viel Freude, dass sie den Musikern mehrere Zugaben abtrotzten.