40 Jahre Internationales Jazzfestival Münster in der 27. Ausgabe. Aktueller Jazz mit kreativen Grenzgängen, aufregende Entdeckungen, gewagte Arrangements – das versprechen die Veranstalter.
Dafür sorgt auch, dass fast alle Musikerinnen und Musiker erstmals beim Jazzfestival Münster vom 4. bis 6. Januar im Theater Münster spielen werden.
Markenzeichen der vom städtischen Kulturamt ausgerichteten Jazzbiennale ist auch 2019 der neugierige Blick nach vorn. Fast 100 Musikerinnen und Musiker aus 15 Ländern sorgen in 17 Konzerten für einen spannungsgeladenen Pool. Exzellente Instrumentalisten sind darunter, außergewöhnliche Stimmen, Ausflüge zum Techno, in die Pop-Musik oder in elektronische Sounds. Der künstlerische Leiter Fritz Schmücker rückt in den Mittelpunkt, was unter seiner Regie das Festival geprägt hat und bis heute ausmacht: „Die Vielfalt in der Musik, genauer im zeitgenössischen Jazz, Kreativität und individuelle Ausdruckskraft in kontrastreichen Klangfarben – und das in einer Momentaufnahme.“
Einen Link zum Festival setzt diesmal die lokale Kulturszene: „Mit einer Jazzfilmreihe von Cuba-cultur und Filmwerkstatt wird es im Programmkino Cinema ein Warm-up geben“, kündigt Kulturamtsleiterin Frauke Schnell an.
Deutschlandpremieren
Mehr als die Hälfte aller Programmpunkte feiern in Münster ihre Deutschlandpremieren. Wie die Formation „Axes“ um Joao Mortágua. Das Sextett aus dem Norden Portugals schiebt gleich vier Saxophone nach vorn und schafft mit den beiden Schlagzeugern kraftstrotzende Synergien zwischen Rhythmen und Klangwelten. Überhaupt hat Fritz Schmücker bei seiner Suche im Fado-Land Schätze gehoben: Etwa die junge, europaweit aufstrebende Trompeterin Susana Santos Silva, die in der Improvisation und Avantgarde zuhause ist. Ihr werden „herzzerreißende Soli“ zugeschrieben in durchaus gewagten Musikarrangements ihrer Band. Oder das Duo Tubax. Hier halten Tuba und Saxophon mitreißende Zwiesprache. Sechs Oktaven werden Sérgio Carolino zuerkannt, die der portugiesische Tubist auch in Sinfonieorchestern beherrscht.
Außergewöhnliche Stimmen kommen aus Osteuropa. Die Ungarin Veronika Harcsa führt mit bestechend-klarer Stimmfarbe das „Veronika Harcsa – Balint Gyemant Quartet“ an. Eine „Wundertüte aus struktureller Klarheit, kluger Reduktion und poetischen Lyrics mit politischen Zwischentönen“, meint Jazzthing. Deutschlandpremiere feiert zudem auch das estnische Duo mit der Vokalistin Kadri Voorand und Mihkel Mälgand am Bass.
Erik Friedlander (Jahrgang 1960) gilt als ein Heroe der experimentellen Downtown-Szene in New York. Gemeinsam mit „Throw a Glass“ entführt er mit seinem Cello in meditative wie energiegeladene Klanglandschaften. Ebenfalls eine Deutschland-Premiere. Namensvetter Erik Truffaz kommt aus Frankreich, wird gefeiert als einflussreichste Stimme im europäischen Jazz seit den 1990er Jahren und hat in Münster den polnischen Pianisten Krzysztof Kobylinski an seiner Seite: Bewegende osteuropäische Melodien verschmelzen mit der großen Jazztrompete.
Ein Kapitel des Festivals widmet Fritz Schmücker dem früh erblindeten Komponisten „Moondog“, jenem amerikanischen Musiker, Poeten, Querdenker und Exzentriker aus der Straßenszene New Yorks, der mit Leonard Bernstein oder Benny Goodman verkehrte und dessen Kompositionen zum Repertoire großer Orchester zählen. Louis Thomas Hardin (1916-1999) starb in Münster und ist hier beerdigt. Er hinterließ ein stattliches Werk. Die französische Produktion „Perpetual Motion“ um die Saxophonisten Sylvain Rifflet und Jon Irabagon pickt sich aus dem umfassenden Oeuvre Ausschnitte heraus. „A Celebration of Moondog“ ist zum 20. Todestag des Urhebers eine Hommage, die den schöpferischen Zeitgeist behutsam neu interpretiert.
Der Abschluss des Internationalen Jazzfestivals wird golden. Gewandet in einen funkelnden Lamé-Faltenwurf hat Queen Mu (Angela Maria Reisinger) einen opulenten Auftritt, singt und deklamiert mit tiefem Timbre. Im schwarz-dramatischen Kontrast dazu die österreichisch-deutsche Formation „Shake Stew“. Nicht nur das Auge hat viel zu tun – die Klangfülle des siebenköpfigen Ensembles setzt das stimmungsvolle Ende.
Münsters Jazzfestival bietet immer auch dem jungen westfälischen Jazz eine Plattform: Das Preisträgerkonzert ist erster Programmpunkt am 5. Januar im Kleinen Haus. Dort ist auch die Familienmatinee zuhause: Das Jugendjazzorchester NRW eröffnet mit Bigband-Sound den Sonntag.
Jazzfotografie Frank Schindelbeck, Ausstellung in Rüsselsheim: