Jazz bei den Donaueschinger Musiktagen 2010


Peter Evans, Fotografie: Hans Kumpf

Wie so oft: Nicht nur bei der „SWR2 JazzNow Session“ fühlte man sich – zumindest etwas – an swingende Klänge und an „blue notes“ erinnert. Schon beim Eröffnungskonzert mit dem renommierten Arditti Streich-Quartett schmuggelten sich kurzfristig Jazzphrasen ein. Autor war hier Bernhard Lang, der einstens in Graz bei Dieter Glawischnig studierte und 2007 für das Donaueschinger Jazzkonzert mit „Paranoia“ eine interessante Komposition beisteuerte. Und in der monumentalen Orchesterkomposition „Radiographie d’un Roman“ des Posaunisten Vinko Globokar (76), der ja öfters auch mit Jazzavantgardisten jamte, wirkte als von Noten geleiteter Gesangssolist (der Perkussionist) David Moss mit.
Bei der von SWR-Redakteur Reinhard Kager initierten „SWR2 JazzNow Session“ in der Sporthalle der Beruflichen Schulen kam heuer weniger Elektronisches als Trompetenmäßiges zum Einsatz. Der New Yorker Trompeter Peter Evans vom Jahrgang 1981 macht äußerlich eine fast unscheinbar nüchterne Figur, aber was er aus der Trompete herausholt, ist schon phänomenal. Da schmiert er seine „sheets of sounds“ hin, pustet geräuschhaft und obertonreich ins Horn – und artikuliert knallhart akzentuierte Linien. Perfektionierte Präzision und akrobatische Virtuosität kommen geradezu unscheinbar daher. 

Locker gab sich Peter Evans schon einen Tag vor dem offiziellen Auftritt, als er bei der Probe anwesenden Schülern des örtlichen Fürstenberggymnasiums bereitwillig Rede und Antwort stand. Interessiert lauschten die Youngsters auch, wie dezent Sam Pluta mit seinem Apple-Notebook das obligatorische „sound processing“ bewerkstelligte.

Dann verkündete im Konzert Reinhard Kager, dass der mit „improvised complexity“ überschriebenen Abend „richtigen Jazz“ bieten und Peter Evans seinen Neo-Bebop „noch speediger“ als Dizzy Gillespie spielen würde. Zusammen mit dem Pianisten Carlos Homs, dem Bassisten Tom Blancarte und dem Schlagzeuger Jim Black vollführte der Blechbläser jedoch auch lasziv-légèren Cool Jazz, ebenfalls nicht historisch-antiquiert, sondern zeitgeistig-progressiv. Möge dahinter auch viel Komponiertes stecken – der Höreindruck hinterlässt ein homogenes Ganzes.


Peter Evans

Schon gar nichts mehr mit Funktionsharmonik und stützendem Metrum hatte Peter Evans Trompeten-Duo mit seinem amerikanischen Landsmann Nate Wooley zu tun. Wie in der Elektronischen Musik splitteten die beiden Akustiker die Parameter in deren Bestandteile auf. Luftströme und Geräuschklänge, Hineinsingen, rhythmische Vitalität und Sensibilität. Jubelnder Applaus auch hier.


Sam Puta

Der schweizerische Schlagzeuger Michael Wertmüller nannte sein Auftragswerk „sketches and ballads“. Den Trompeter Thomas Heberer ließ er hierbei an „Sketches of Spain“ von Miles Davis zurückdenken, und der einst als Schönklangszertrümmerer gefürchtete Saxofonist Peter Brötzmann (69) konnte sich als einfühlsamer Balladenerzähler hervor tun. 

Die Donaueschinger Musiktage widmeten sich heuer speziell dem Streichquartett. Vielleicht wäre es doch zu viel des vielseitigen Saitenspiels geworden, wenn sich noch der späte Jazzabend dieses Sujets angenommen hätte. Man denke nur an das Kronos Quartet, das Radio String Quartet Vienna oder Joerg Widmosers Modern String Quartet aus München.

„Line-Up“ Donaueschingen

Peter Evans, tp, pic-tp + compositions
Carlos Homs, p + keyb
Tom Blancarte, b
Jim Black, dr
Sam Pluta, sound processing
Duo Evans/Wooley
Deutsche Erstaufführung
Peter Evans, amplified tp
Nate Wooley, amplified tp
Michael Wertmüller
sketches and ballads
Uraufführung
Kompositionsauftrag des SWR
Peter Brötzmann, as, ts, cl + tarogato
Ken Vandermark, ts + cl
Thomas Heberer, tp
Marino Pliakas, e-b
Dirk Rothbrust, perc
Michael Wertmüller, dr + composition 

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