Treibende funky Grooves prägen die Grundstimmung des Konzertes, in dem der holländische Keyboarder Jasper van´t Hof seine neue Formation „Hot Lips“ in der Rüsselsheimer Jazzfabrik vorstellt. Das Spiel lebt von dem Kontrast aus sphärischen Klangflächen der Keyboards und den gleißenden Riffs der Bläser – dem erdigen und zugleich warmen Ton der Posaune von Annie Whitehead, dem expressiven und immer singenden Sound des Sopran- und Tenorsaxophons von Tony Lakatos sowie dem oftmals in den High-Notes mit Vibrato geblasenen Flügelhorn und Trompete von Christian Kappe. Unter all diesen Melodien aber liegt das treibende Rhythmusgeflecht von Schlagzeuger Marlon klein und dem Bassisten Bo Stief.
„Open Thirds“ ist nur der Arbeitstitel der letzten Komposition im offiziellen Konzertteil und lässt so ein bisschen in den Entstehungsprozess eines Stückes blicken. Der Schluss ist noch nicht ganz ausgereift. Bei den langen Improvisationslinien van´t Hofs finden sich die Bläser spontan zu kurzen melodischen Einwürfen zusammen. Eine kurze symphonisch orchestral angehauchte Synthesizer-Einleitung leitet zu einer groovenden Full-Band-Passage über, das Flügelhorn improvisiert mit vibratoreichen Linien und wird von einem Unisono der Bläser abgelöst. In seinem Solo pendelt van´t Hof zwischen Keyboards und Flügel. Hier lebt er sich voll aus, schüttelt die blonde Mähne, windet sich mit dem ganzen Körper, wenn er in rasenden Läufen satte Sounds aus der Elektronik zaubert, in impressionistischen Klangflächen schwelgt, auf dem Piano rhapsodische Läufe und monksche Gegenläufigkeiten aneinander reiht, in Romantizismen verweilt und disharmonische Akkordblöcke dazwischenschiebt.
Wie Fanfarenstöße kommen die mehrstimmigen Bläsereinsätze, während der Keyboarder in der Zugabe „Dance on Water“ einen Bass-Grundton ostinat in die Tasten hämmert. Dabei hat dieses Up-Tempo-Stück so trügerisch mit sanften sakralen Orgeltönen begonnen.
Nach seinem langlebigen „Pili-Pili“-Projekt mit südafrikanischem Pfeffer ist der Holländer mit „Hot Lips“ zu früheren Jazz-Rock-Vorlieben zurückgekehrt. Der Name verrät das Konzept, die funky Rhythmusgruppe und ausschweifenden Tastenausflügen des Bandleaders mit heißen Bläsersätzen zu ergänzen. Das kommt in einem Up-Tempo-Stück „Headpeeper“ ebenso zur Geltung wir in der eher getragenen Komposition „Tomorrowland“ mit der verspielten Piano-Intro, den verqueren Akkordblöcken und seinen Klassik-Adaptionen.
Dass es dennoch in dem einen oder anderen Stück und trotz der Erfahrung der Musiker im Zusammenspiel bei den Übergängen kleine Brüche gibt, fällt bei der mitreißenden Vitalität kaum auf. Klein trommelt auf Teufel komm raus, Bo Stief steuert relaxed seine erdigen Bass-Läufe und Glissandi-Einsprengsel bei. Annie Whitehead spielt ihre Posaune in warmer Grundierung immer wieder mit knarzender Rauheit, während Tony Lakatos sich in ekstatischen Läufen die Seele aus dem Leib bläst und Kappe mit bestechender Leichtigkeit die Klangfarben seines Flügelhorns auskostet. Kein Wunder, dass der Derwisch van´t Hof strahlt, während er mit einen Hand die Keyboards und mit der anderen den Flügel bearbeitet. So geht das Konzert denn auch mit einer hingehämmerten Single-Note-Traube und einem letzten Bass-Akkord zu Ende.