Fotos und Text: Klaus Mümpfer
An Bob Mintzer und seinen Arrangements kommt keine Bigband vorbei. Wie druckvoll und mit sattem Sound ein Jazzorchester klingen kann, das beweist der melodische Improvisator und Leader mit der hr-Bigband, die ihrerseits technisch und künstlerisch im Grunde eine Solistenband ist und in die Mintzer kurzerhand sich und den Rest der kalifornischen Fusion-Formation „Yellowjackets“ integriert.
„Revelation“, eine Komposition, an der sich viele Bigbands versuchen, gerät bei diesem Konzert der Jazzfabrik im Rüsselsheimer Theater zu einem Lehrstück. Volles Powerplay der Bläser mit einem strahlenden und gleißenden Trompetensatz vor einer treibenden Rhythmusgruppe, reißt die Zuhörer zu stehenden Ovationen hin, die Mintzer mit der um die Yellowjackets verstärkte hr-Bigband mit seiner Komposition „Runferyerlife“ belohnen. Da kommt es nach einer pulsierenden Up-Tempo-Einleitung des Quartetts sowie einem virtuosen Trompetensolo Axel Schlossers zu einem mitreißenden Ruf-Antwort-Duell der Saxophonisten Bob Mintzer und Tony Lakatos, in dem der Frankfurter erneut mit gefühlvollen und zugleich expressiven Stakkati belegt, dass er zu den Besten auf diesem Instrument zählt. Gitarrist Martin Scales ist ein weiteres herausragendes Bigband-Mitglied, das Mintzer in seinen Arrangements gerne klangprägend einsetzt.
„Art of the Bigband“ nannte Bob Mintzer 1990 eines seiner Alben. Mit einem Klangkörper wie der hr-Bigband fällt es leicht, diesem Anspruch gerecht zu werden. Mintzer, Bassist Jimmy Haslip, Drummer Will Kennedy und vor allem Pianist Russel Ferrante, der Ideengeber sowie Dreh- und Angelpunkt der „Yellowjackets“, lassen sich nahtlos in das Orchester einfügen. Natürlich bieten Ferrante die eigenen Kompositionen sowie die von Bob Mintzer ausreichend Gelegenheit zu seinen feurigen Soli auf dem Flügel sowie in „Why is it“ auch auf dem Keyboard. Auf dem Flügel kostet der Pianist mit schnellen Läufen und Trillern sowie wuchtigen Akkordreihen das Volumen des Instruments aus. Haslip zaubert auf seinem sechssaitigen E-Bass gitarrengleiche melodische Läufe, die dennoch nichts von ihrer trockenen Erdigkeit aufgeben und Schlagzeuger Kennedy bietet die Zugabe Gelegenheit zu einem polyrhythmischen Drum-Solo, während er in der Bigband eher für treibenden Groove sorgt.
Grooves und Funk sowie Fullband-Power-Attacken und sinfonische Klangflächen sind Elemente der Arrangements, die die Bigband in der Ferrante-Komposition „Even Song“ oder in dem funky-Stück „Why is it“ von Mintzer zusammenfügt. Orchestrale Klangfarbenspiele erleben die Zuhörer außerdem in „Azure Moon“, treibende und druckvolle Tutti vor allem vor und nach den expressiven Soli von Mintzer und Haslip in „Downtown“.
„Geraldine“ bleibt es an diesem Abend vorbehalten, die „Yellowjackets“ als Quartett ohne Bigband vorzustellen. Die Dame präsentiert sich musikalisch zunächst balladesk mit einem getragenen und lyrischen Duo von Tenorsaxophon und Piano, cantablen Linien auf dem Blasinstrument und Single-Note-Ketten auf den Tasten, zu denen Kennedy die Becken streichelt. Der Bass grundiert. Tempo und Intensität steigern sich zur Expression, bevor die „Yellowjackets“ das Thema im Finale sanft schwebend verklingen lassen.
Natürlich ist es vermessen, die IKS-Swing-Kids im Vorprogramm in einem Atemzug mit der hr-Bigband zu nennen. In beiden Bands zählen an diesem Abend jedoch die Saxophon-Duelle zu den Highlights. Bei den Swing Kids sind es der ausdruckstarke Fabian Dudek und die Bariton-Saxophonistin Kira Linn bei „Nostalgia in Times Square“. In Standards wie „Stolen Moments“ oder „Vine Street Rumble“ beweisen die jungen Musiker unter der Leitung von Heiko Hubmann eine erstaunliche Reife und Präzision. Zu hören sind auch gute solistische Leistungen an der Posaune und der Trompete. Sicher und solide stützen ein ökonomisch gezupfter Bass, ein Piano und vor allem das flexibel getrommelte Schlagzeug.