Klaus Graf
2007 trug das Theaterhaus ein nachweltmeisterliches Länderspiel mit der Schweiz aus. Im letzten Jahr mussten die Internationalen Jazztage ausfallen – wegen einbehaltener Zuschüsse der Landeshauptstadt. Jetzt aber konnte Werner Schretzmeier zu Ostern wieder seine geliebte Musik auf die Bühnen bringen. Geografisch blieb er dabei im alpenländischen Raum treu: Österreich wurde heuer als Gastland zum „JazzLänderSpiel“ auserkoren.
Zwei große österreichische Weltjazzer sind schon tot: Keyboarder Joe Zawinul und Saxofonist Hans Koller. Zum Vienna Art Orchestra hat es finanziell nicht gereicht – die Finanzkrise und somit die Zurückhaltung von Sponsoren lässt grüßen.
Ganz vehement spielte als Opener das von dem Ersten Geiger Bernie Mallinger angeführte Radio String Quartet Vienna auf. Die von ihm arrangierten Kompositionen von John McLaughlin interpretierte das Ensemble völlig auswendig. Mahavishnu-Werke wie „Vital Transformation“, „The Dance Of Maya“ und “A Lotus On Irish Stream” kamen da mit enormem Drive daher. Vervollständigt wurde die virtuose Gruppe durch die in Taiwan gebürtige Cynthia Liao (Viola), durch die Cellistin Asja Valcic und Johannes Dickbauer (2. Violine).
Beim improvisatorischen Zusammentreffen mit dem Tenoristen Heinz Sauer und dem Pianisten Michael Wollny ging es dann etwas zaghafter und impressionistischer zu, Zuvor blies Altmeister Sauer (76) sein Sax mit expressivem mit jugendlichem Vorwärtsdrang im bewährten Duo mit dem 46 Jahre jüngeren Tastenmann, der ausgereift die musikalischen Wogen glättete.
Der rege Publikumszuspruch in der (doch relativ kleinen) Halle T2 bewies, dass es bei einem renommierten und vom Publikum angenommenen Festival nicht unbedingt amerikanischer Super-Stars bedarf. Ausverkauft war das zeitlich teilweise überlappende Spätkonzert in „T2“ mit seinem mehr jazzrockendem Programm. Der ansonsten oft hyperaktive Trompeter Joo Kraus blieb bei seinem in Kuba auf CD gebannten Projekt „Sueno“ vergleichsweise „cool“. Zusammen mit dem Pianisten Ralf Schmid hatte der Ulmer das tänzelnde Konzept erarbeitet. Für authentische Rhythmen sorgte der Perkussionist Tomas Perez, am Kontrabass stand der Stuttgarter Italiener Davide Petrocca. Als Vokalist überzeugte Joo Kraus mehr als die finnische Sängerin Kriistiina Tuomi.
Beschlossen wurde der erste Festivaltag mit der Formation „Jazzkantine“„ in der einst Free-Jazz-Veteran Gunter Hampel und Rapper Aleksey („Millennium“) köchelten. Schon beim Soundcheck zeigte es sich, dass die Rocker mit „Es ist Jazz“ und „Take Five“ den Jazz nicht verleugnen.
Am Karfreitag spielte nochmals die aus Kroatien stammende (Radio-String-Quartet-Vienna-)Cellistin Asja Valcic, diesmal zusammen mit dem Akkordeonisten Klaus Paier. Attraktiv war erst recht das nun funktionierende Zusammentreffen des Pianisten Joachim Kühn mit dem „Münchener“ Oud-Virtuosen Rabih Abou-Khalil.
Allseits Akzeptanz hätte die nun in Mainz wohnhafte Pianistin Aziza Mustafa-Zadeh gefunden, wenn sie sich mehr dem Kulturerbe ihrer aserbaidschanischen Heimat gewidmet hätte. Ihr Opern-Jazz samt altdivahaftem Vibrato in der Sopranstimme ist eben nicht jedermanns Geschmack. Zuvor überzeugte die noch 19-jährige Altsaxofonistin Katharina „Kati“ Brien aus Fellbach mit handwerklichem Können, wobei ihr der Trompeter Magnus Schriefl nicht nachstand.
Die allergrößte Möchtegern-Star-Show zog Gitarrist Karl Ratzer, ein Österreicher in New York, ab. Zunächst reichlich Verspätung, dann rauchte er demonstrativ auf der Bühne zunächst mal eine Zigarette und ließ sich dann von einem Bediensteten die Gitarre reichen. Viel Schmäh mit amerikanischer Blues-Kopie, gesungen mit heiserer Kehle un-natürlich.
Als eine Cover-Band, deren furiose Solisten viel Eigenleben demonstrierten, trat das „Stuttgart Jazz Orchester“ an: Man bediente sich des Repertoires vom „Unit Jazz + Rock Ensemble“, das Dank Werner Schretzmeier und einer sonntäglichen TV-Sendung in den 70er Jahren entstand. Als Original wirkte der überglückliche Pianist und Gründungsvater Wolfgang Dauner mit. Und mit ihren Improvisationen heizten Werner Acker (Gitarre), Libor Sima (Tenorsaxofon) und Klaus Graf (Altsaxofon, Flöte) ordentlich ein.
Klein, aber fein: Auch die nicht so werbewirksamen Gruppierungen fanden durchaus ihr (fachkundiges) Publikum. Das Trio des Gitarristen Andy Manndorf wurde als aus Österreich kommend bezeichnet, doch hier mischte noch der Kölner Achim Tang mit, der mit seinem konventionellen Korpusbass dem quengelnden Elektro-Brett seines Bandleaders einen akustischen Widerpart bot. Dem Rockjazz mit seinen eher abstrakten Melodiebögen lieferte Reinhardt Winkler auf dem Drumset ein solides Fundament.
Der Altsaxofonist Wolfgang Puschnig ist bekannt für interessante Aktionen. Bei seinen „Alpine Aspects“ führt er mit den von Robert Pussecker angeführten „Amstetter Musikanten“ keineswegs Alphörner vor, sondern lässt eine rhythmisch scharfkantig aufspielende Bläsergruppe los, bei der ein Marsch keineswegs ins Sentimentale abgleitet. Der badische in Stuttgart lebende Flügelhornist Herbert Joos, der an Puschnigs Seite seit Jahrzehnten im Vienna Art Orchestra musiziert, fungierte als brillanter Solist, und die beiden Afroamerikaner Jon Sass (Tuba) und Jamaaladeen Tacuma (Bassgitarre) machten die Sache erst recht global.
Tu felix Austria – es beherbergt auch unorthodoxe Newcomer wie das HDV-Trio. Keyboarder David, Lucas Dietrich und Schlagzeuger Marc Vogel beziehen sich auf Chick Corea, Esbjörn Svensson sowie Bela Bartok gleichermaßen und weisen eine große stilistische Bandbreite auf. Mal wohlige Harmonien, dann auch elektronisches Gezirpe und brachiale Unterarm-Cluster auf dem edlen Flügel. In den präzise fixierten Stücken herrschen stets schnelle Tempi vor.
Konventioneller agierte dagegen die deutsche Vokalistin Lisa Bassenge. Ihr neuer Pianist Christoph Adams bewährte sich auch als Gitarrist und gesanglich.
Zum Finale präsentierte das Theaterhaus am Ostermontag ein Dreierpack: Da hörte man die Stuttgarter Sängerin Anne Czichowsky mit ausgedehnten Scat-Vokalisen, den mit lamentierenden Tenuto-Tönen langweilenden österreichischen Trompeter Lorenz Raab und schlussendlich Geiger Gregor Hübner aus Fronreute. „Woher kommen denn die Sounds?“ – Dies konnte man da immer wieder fragen. Akustische und elektronische Tricks gingen fließend ineinander über in seinem Sextett „New York Lounge“
Heinz Sauer
Wollny, Sauer, Radio String Quartett
Joo Kraus
Karl Ratzer
Wolfgang Dauner
Wolfgang Dauner Jazzorchester Stuttgart
Libor Sima
Lisa Bassenge
Anne Czichowsky
Peter Gromer, Anne Czichowsky
Gregor Hübner