Der Pianist Stefano Bollani hat gelernt, dass er gute Ideen schonend behandeln muss. Dennoch liegt es in seiner Natur, dass er seinem Spaß an Witzigem nachgibt – manchmal sogar nach eigenem Eingeständnis derbem Humor erliegt. So mag mancher Gag einige Zuhörer beim Mainzer Duo-Konzert des 38-Jährigen mit seinem Mentor, dem 70 Jahre alten Trompeter Enrico Rava, stören. Dennoch sind es unbestritten gerade Spielwitz und hintergründiger Humor, die die Interaktionen der beiden Künstler so hörenswert und kurzweilig machen.
Am Flügel sitzt der quirlige Pianist, der nie zur Ruhe zu kommt, der sich um keine Kategorien wie Stilreinheit schert, der in den Gefilden des traditionellen Stride-Pianos und des Rags ebenso wildert wie im freien Spiel, der zarte Lyrismen mit wuchtigen Akkordschichtungen und einmal am Abend sogar mit Unterarm-Clustern abschließt. Ihm gegenüber steht ein in sich ruhender Trompeter, dessen warmer Ton und weit gespannte melodischen Linien auch bei freier Expression und überblasenen Stakkati in den höchsten Lagen nicht zu leugnen ist. So kontrastieren und interagieren zwei Musiker-Generationen, zwei künstlerische Individuen und zugleich zwei verwandte Seelen, was sich wohl vor allem aus der prägenden gemeinsamen musikalischen Tradition ihrer Heimat erklären lässt.
Das Spiel des Duos ist trotz einer Reihe kurzer Free-Explosionen insgesamt kammermusikalisch relaxed. Klassische europäische Harmonik verbindet sich mit zeitgenössisch aufgefrischtem Bebop und Modern Swing. Bollani reißt zu weit schwingenden Trompetenlinien einzelne Saiten im Innern des Flügels an oder bearbeitet gar vor seinem Klavierhocker kniend, diesen percussiv, während Rava dies mit kurzen Phrasen kommentiert. Im sanften Verklingen strömen die Atemgeräusche aus der Trompete und münden unerwartet in stählerne High-Note-Explosionen. Der Pianist unterlegt in der Begleitung Melodiekürzel in den Höhen mit Ostinati und Akkordvariationen in den Mittellagen und Tiefen. Wuchtig und expressiv befreit er sich im freien Solo.
Das Tournee-Motto „The Third Man“ weist auf den Film, aber auch auf den Produzenten der Tournee-CD, Manfred Eicher, hin. Unter seiner sanften Führung haben sich die beiden unterschiedlichen Charaktere stärker noch als in früheren Einspielungen zu einer traumhaft sicheren und sensiblen Kooperation zusammengefunden. Beider Virtuosität erlaubt es ihnen, die Schönheit schlichter Melodien zu entfalten; tiefgründig und mit subtiler Ironie, die sich immer wieder in eingestreuten Zitaten offenbart. Neben der singbaren Melodik mediterraner Folklore in den Kompositionen Ravas, brasilianischer Rhythmik und Emotion, bestechen vor allem die witzigen Bearbeitungen von George Gershwins „It ain´t necessarily so“ oder Irvin Berlins „Cheek to cheek“. Da kann es nicht verwundern, dass der Pianist mit einem ungeraden Fünf-Viertel-Takt Assoziationen an Dave Brubeck weckt. Das begeisterte Publikum im leider nur halb gefüllten Frankfurter Hof erklatscht mehrere Zugaben.