Ihre helle und klare Stimme hat Glanz, Weite und Kraft, selbst wenn sie wie im Traditional „Arrang“ zu den zarten, aus den Saiten der akustischen Gitarre gezupften Single-Notes von Ulf Wakenius, fast unhörbar haucht und die Stimme schwebend verklingen lässt. Die Francokoreanerin Youn Sun Nah kommt mit der coolen Melancholie ihrer Balladeninterpretation der nordischen Kühle ihres Begleiters entgegen- eine Tendenz, die in der Zusammenarbeit mit dem Produzenten Lars Danielsson und ihrer CD „Voyage“ bekräftigt wurde. Aber auch die musikalische Tradition ihresGeburtslandes Korea, für die kleinste Klangnuancen und verzierende Melodiephrasen typisch sind, erleichtern ihr die Interpretation der transparenten Arrangements – ganz gleich, ob es sich um Balladen, eine virtuos gescattete brasilianische Up-Tempo-Komposition von Egberto Gismonti, Nat King Coles „Calypso Blues oder einer ätherische Alternative von Tom Waits „Jockey full of Bourbon“ handelt. Youn Sun Nah setzt ihren kristallklaren Gesang mit stilsicherer Jazzphrasierung ein, verbindet dies mit der Mystik und Artistik der koreanischen Vokalkunst und reißt das Publikum zu frenetischen Ovationen hin, das die Sängerin und der Gitarrist schließlich mit zwei Zugaben belohnen.
Der Schwede Wakenius ist ein virtuoser Gitarrist. Seine Sensibilität zeigt sich vor allem in den Balladen sowie den Bearbeitungen von Kompositionen des verunglückten Landmannes Esbjörn Svensson, mit dem er kurz vor dessen Tod zusammengearbeitet habe, so dass unversehens „aus einer Kooperation eine Hommage“ wurde. Seine filigrane Saitenzupferei mit dem Plektrum und die Leichtigkeit seines Spiels bleiben auch in expressiven Stakkatoläufen erhalten. Groovend interpretiert er dagegen in seinem Quartett mit Lars Jansson am Klavier, dem Bassisten Jesper Bodilsen und dem Schlagzeuger Paul Wvanberg seine Oscar Peterson gewidmete Up-Tempo-Komposition „Toronto 2 p.m.“ sowie percussiv mit einem erdigen Bass-Solo und schnellen, perlenden Pianoläufen zur flirrenden E-Gitarre zwei ineinanderfließend Kompositionen von Svensson und Jarrett.
Den beiden letztgenannten Komponisten verbunden ist auch der junge Michael Wollny, der in dem Doppelkonzert der Reihe „Jazz today“ im Frankfurter Hof mit der Cembalistin Tamar Halperin im Duo eigene Stücke vom verspielten, zarten und tastenden „Sagée“ bis zum wuchtigen, treibenden sowie mit Trance fördernder Hymnik geladenen „Hexentanz“ interpretierte. Die zunächst fremdartige Kombination des in dynamischen Abstufungen voluminös und warm tönenden Flügels mit dem eher hell und durchsichtig klingenden sowie in der Dynamik kaum zu beeinflussenden Cembalo erweist sich im kontrastierenden Unisono- und mehrstimmigen Zusammenklang als durchaus geglückt. Besonders dann, wenn das (gezupfte) Cembalo in seiner angestammten Funktion als Generalbass-Instrument mit ostinaten Akkorden die kraftvoll donnernden und teilweise free-inspirierten Läufe des Pianisten harmonisch unterlegt. In einem klassisch anmutenden Solo setzt Wollny Triller der rechten Hand über wuchtige Bass-Ostinati der linken, während Halperin auf dem Cembalo Akkordvariationen anschlägt.
Hin und wieder wechselt die Melodieführung: Wollny greift percussiv in die Saiten im Innern des Instruments und hämmert mit dem Handballen auf den Korpus, während die Cembalistin kurze Einzelnoten-Trauben beisteuert. Minimalistisch muten Wollnys oftmals tastend und suchenden Singlenote-Ketten an, bis er dann in wahnwitzig rasenden Akkordschichtungen explodiert, die Halperin mit dem Kasten-Harmonium abrundet oder durch den silbrigen Glockenklang des Xylophons auflockert. Die Cembalistin kann in ihren Soli die Einflüsse der Barockmusik nicht verleugnen, Wollny nicht die der Romantik. So entfaltet sich in diesem Duo eine fremdartig reizvolle Musik. „Wunderkammer“ ist der Titel ihrer Duo-CD und wie in früheren Zeiten Regenten Unglaubliches in ihren Wunderkammern sammelten so ist diese Einspielung ein ungewohnter Gang durch bislang nicht gehörte Klanglandschaften.