Dies ist ein Konzert der Kontraste. In der Zugabe „Somewhere over the rainbow“ bläst Daniel Guggenheim das Tenorsaxophon beseelt und melodisch recht nahe am Original ebenso wie bei Cole Porter´s Hit „Love for Sale“, „Caravan“ aus der Feder von Duke Ellington und Juan Tizol hingegen wird fast zur Unkenntlichkeit zerlegt und neu interpretiert, bis das Quartett zum Schluss doch noch auf das ursprüngliche Thema zurückkommt und beim Publikum im vollbesetzten „M8“ für den Aha-Effekt sorgt. Guggenheim bläst mit seine Bebop-Stakkati hochkonzentriert mit geschlossenen Augen, aufgeraut und leicht überblasen in den mittleren Lagen, spitz und quietschend in den High-Notes, Schlagzeuger Tobias Backhaus lässt sich zu einem Hochgeschwindigkeits-Solo mit zahlreichen Wirbeln auf kleinen Trommeln verführen, Bassist Ralf Cetto bleibt auch in diesem komplexen und dichten Kollektiv der ruhende Pol auf dem bewusst etwa mulmig gehaltenen und zum knalligen Schlagzeug kontrastierenden E-Bass. Ulf Kleiner zeigt auf dem Piano sowie den Rhodes die stets themengerechte Variabilität zwischen tastenden oder perlenden Läufen sowie wuchtigen Akkordschichtungen oder flächigen Sounds.
„Hip“ nennt Guggenheim diese Formation aus vier exzellent eingespielten Musikern beim Konzert der Mainzer Jazzinitiative „jim“. Hip mit einem Schuss Punk-Jazz sind die Stücke vor allem in der rhythmischen Basis, im harmonischen und melodischen Bereich dagegen im Bebop verwurzelt und in mehreren charakteristischen Zwischenspielen frei pulsierend, flirrend sowie mit wellenartig an- und abschwellender Intensität. In „Loverman“ gibt es ein solches ausuferndes Zwischenspiel, das Backhaus mit einem harten Schlag auf die Drums beendet und an das sich ein vibratoreiches Solo auf dem Sopransaxophon anschließt.
Ob nun Thelonious Monk´s „Bremsha Swing“ in einem verdichteten Gruppensound erklingt, in das ein zunächst zart wirkendes Solo auf den Becken mit klopfenden Stöcken und quietschenden Reibungen eingebettet wird, oder ob „Hip“ sich dem Up-Tempo-Stück „Sundance“ in kraftvollen Swing-Passagen sowie ostinatoreichen Spannungsbögen austobt, Daniel Guggenheim treibt ein aufregendes Vexierspiel mit den Klischees. Seine ausgefeilten Soli dominieren, auch wenn er vor allem dem Pianisten viel Freiraum für eigene Ausflüge lässt, die Kleiner virtuos nutzt. In New York habe er die „unglaubliche musikalische und spielerische Energie gespürt“, die er nun in seinem Spiel freisetzen wolle, sagt Guggenheim. Diese Intensität hat sich in Mainz auf das begeisterte Publikum übertragen.