Fotos und Text: Klaus Mümpfer
„St. Thomas“ von Sonny Rollins ist ein Klassiker, der im Original zwar mit Latin-Groove gespielt wurde, während der Soli aber den Wechsel in den Swing erlaubte. Das BlueNite Jazz- Ensemble führte in der Remise des Schlosses Worms-Herrnsheim die Zuhörer mit Trommelwirbel in die rhythmische Struktur ein. Bass und Gitarre gesellten sich hinzu, bevor die Bläser mit hart abgezirkelten Riffs Akzente setzten und Sebastian Mettenheimer mit dem Tenorsaxofon in einem expressiven Solo das Thema aufgriff und variierte. Der Trompeter Miles Davis hat neben dem Bassklarinettisten Eric Dolphy den bekannten Standard „On Green Dolphin Street“ des eher unbekannten Bronislau Kaper auf seine unnachahmliche Art geblasen.
Mit ihm wollte sich Philipp Brackrock-Pöhlert sicher nicht messen, doch auch der Trompeter der BlueNite-Musiker verfügt auf der Trompete – auch der gestopften- über einen eigenständigen Ausdruck. Einen ebenso persönlichen Stil beherrschen der Gitarrist Thomas Haag, der an diesem Abend mit filigranen Läufen und mitunter percussivem Spiel auf dem Corpus seines Instruments ebenso überzeugte wie der Posaunist Matthias Merkelbach mit einem weichen und fließenden sowie dennoch kraftvollen und zupackenden Ton.
Die Mitglieder des BlueNite-Ensembles sind Musiker mit professionellem Anspruch, technisch ohne Fehl und Tadel. Dass es in seltenen Fällen wie in „Just friends“ zu kleinen Mängeln im Zusammenspiel kam, ist wohl dem Umstand anzulasten, dass die Künstler eigentlich mit eigenen Projekten beschäftigt sind und ein solches Konzert eher aus den Sessions erwächst, zu denen die Musiker in wechselnden Zusammensetzungen einmal im Monat zusammenkommen.
Ihre gemeinsame musikalische Heimat ist die Wormser Jazz-Initiative BlueNite. Die Idee zu BlueNite erwuchs aus dem Bedürfnis von Wormser Musikern, in Eigeninitiative Auftritts- und Präsentationsmöglichkeiten für Jazzmusik in der Stadt zu schaffen. Der überragende Erfolg des Projekts im November 1998, bei dem mehrere Wormser Bands und Musiker vor einem begeisterten Publikum auftraten, führte 1999 zur Gründung des Vereins BlueNite. „Zwanglos trifft man sich, um berühmte Jazzklassiker und –standards aus dem Real Book zu interpretieren“, berichtet Volker Wengert, einer der Mitbegründer.
So standen an diesem Abend die Standards im Vordergrund, die in der Regel zur Besetzung der Band ausgesucht und nicht speziell neu arrangiert wurden. Gitarrist Thomas Haag nutzte allerdings die Gelegenheit zur Interpretation einer kammermusikalisch reizvollen Eigen-Komposition im Quartett mit dem gleichermaßen in sanften Single-Note-Linien wie in wuchtigen Akkordblöcken kreativen Pianisten Oliver Baltz, dem Bassisten Gernot Kögel und dem Schlagzeuger Wengert. Haag wird beim Festival „Worms Jazz & Joy seine neue Duo-CD „The sun comes out“ mit dem Percussionisten Frank Schwaller vorstellen.
Publikumsliebling beim Sommerkonzert des BlueNite-Ensembles war wie stets die Sängerin Carmen Selzer. Auch wenn sie vor allem Balladen sehr einfühlsam, sensibel und sanft vorzutragen weiß, so kann ihre tragende Stimme sich auch in schnelleren Stücken wie „I wish“ oder in der funky Nummer „Superstitious“ mühelos gegen die Bläsertutti durchsetzen. Ihre Wandelbarkeit und Ausdrucksstärke bewies die Sängerin an diesem Abend vor allem in Richard Rogers witzig-charmantem Song „My funny Valentine“ im Duo mit dem Bassisten sowie bei „Killing me softly“, in dem Vibrafonist Werner Lohl virtuos für eine raffinierte Klangfarbe sorgte.
Das BlueNite-Ensemble zeichnet sich durch Improvisationsfreudigkeit, Spiellust und Spontaneität aus. Dieses schillernde Spektrum der kleinen, aber rührigen Wormser Jazzszene hat Anerkennung über die regionalen Grenzen hinaus verdient.