Charakteristisch für die Kompositionen des Wiesbadener Pianisten Andreas Hertel sind die Klangfarbenspiele, die er bereits vor gut zehn Jahren mit seiner Gruppe „Composers Voice“ pflegte. Wie damals, als auf der einen Seite der eher der Tradition und Lyrik zugeneigte Pianist zu dem frei pulsierenden und aufrührerischen Schlagzeuger Jörg Fischer kontrastierte, sind in Hertels neuem Quintett die nicht in diesem starken Gegensatz stehenden Pole der Pianist und der Bassist Florian Werther auf der einen sowie der Saxophonist Steffen Weber und der Trompeter Heiko Hubmann auf der anderen Seite.
Hertel spricht von einmal einem „binären Stück“, das in geraden Metren grooved, aber offener als Funk gespielt wird und in dem der Bass rhythmisch freiere Melodien zupfen kann. Später geschieht es, dass nach dem mehrstimmigen Duo von Flügelhorn und Sopransaxophon sich zunächst Weber in einem exzessiven Solo löst, später die beiden Bläser das Zusammenspiel ausfransen lassen sowie mit spitzen und überblasenen Stakkati in Free-Läufen experimentieren, unter denen Axel Pape sein Schlagzeug eher pulsieren lässt, als dass er wie in anderen Kompositionen präzise im Beat grundiert. Schließlich holt Hertel mit geschichteten Akkordgriffen die Bläser zu einem swingenden, mehrstimmigen Duett zurück und lässt das Stück getragen ausklingen. So wird die Musik den unterschiedlichen Charakteren der Interpreten gerecht.
„Wabi, Sabi“, die Zugabe an diesem Abend mit dem Hertel-Quintett im Jazzcafé „das Rind“ belegt, dass der Komponist in der gewachsenen Reife seinen eigenen Ausdruck gefunden hat sich selbst treu geblieben ist. Aus dem E-Piano perlen kurze Notenketten zur sanften Besenarbeit auf den Fellen, lyrisch nehmen Flügelhorn und Tenorsaxophon das Thema auf. „How can I kiss you“ ist eine Ballade, in der das Saxophon die langgezogenen Linien des Flügelhorns umspielt und verziert. Weber pflegt dabei den sonoren Sound der ehrwürdigen Balladenmeister des Bop. „Koans“ ist nicht bayerisch, sondern der japanische Ausdruck für ein unlösbares Rätsel, das zum Meditieren anregt. Hertel, der sich intensiv mit dem Zen-Buddhismus befasst, nutzt den Titel für ein schnelles, swingendes Stück, in dem Hubmann bei einem Trompeten-Solo seiner ausschweifenden Kreativität freien Lauf lässt und dabei von einem rasend schnell und straight marschierenden Bass gestützt wird.
Die Zuhörer im gut besuchten „Rind“ sind angetan von den abwechslungsreichen und spannenden Kompositionen, den atmosphärischen Sounds und den insgesamt konventionell anmutenden Kompositionen, die geschickt Erfahrungen des freien Spiels, des Hardbop und des Swing integrieren.