Michal Urbaniak ist verstorben (1943-2025)

Die Violine steht im Jazz bis heute eher am Rand. Mit Michal Urbaniak ist nun ein Musiker gestorben, der dieses Instrument nicht nur in den modernen Jazz eingeführt, sondern ihm dort über Jahrzehnte hinweg eine eigenständige, zeitgemäße Stimme gegeben hat. Urbaniak machte die Violine zu einem gleichberechtigten, oft auch elektrisch verstärkten Soloinstrument – kantig, rhythmisch zugespitzt und bewusst jenseits folkloristischer oder klassischer Zuschreibungen.

Geboren 1943 in Warschau, begann Urbaniak seine musikalische Laufbahn zunächst auf dem Saxofon, bevor er sich früh und dann konsequent der Violine zuwandte. Bereits in den 1960er Jahren wurde er international wahrgenommen, unter anderem durch seine Zusammenarbeit mit dem Pianisten Krzysztof Komeda. Schon damals zeigte sich ein ausgeprägtes Interesse an stilistischer Offenheit und an der Erweiterung jazzmusikalischer Ausdrucksformen.

In den 1970er Jahren zog Urbaniak mit seiner damaligen Frau, der Sängerin Ursula Dudziak, in die USA aus und fand Anschluss an die New Yorker Jazzszene. Seine Arbeiten aus dieser Zeit stehen exemplarisch für einen Jazz, der sich der Fusion öffnete: elektrische Instrumentierung, urbane Grooves und funkbetonte Rhythmik prägten seine Produktionen, ohne den improvisatorischen Kern des Jazz in Frage zu stellen. Im Jahr 1986 wirkte er bei der Einspielung von Miles Davis‘ spätem Album Tutu mit, was ihm noch mehr internationale Beachtung brachte.

Neben seiner eigenen Karriere war Urbaniak auch als Impulsgeber und Förderer aktiv. Eine enge künstlerische Partnerschaft verband ihn über viele Jahre mit der Sängerin und zeitweiligen Ehefrau Urszula Dudziak. Auch in späteren Jahrzehnten blieb er produktiv, neugierig und offen für neue technische wie ästhetische Möglichkeiten.

Michal Urbaniak war kein Traditionalist. Sein Werk steht für einen Jazz, der sich verändert, Reibung zulässt und bewusst Risiken eingeht. Mit seinem Tod verliert die Jazzwelt einen Musiker, der die Violine dauerhaft im zeitgenössischen Jazz verankert hat.

Fotos von Hans Kumpf

Michal Urbaniak (mit Larry Coryell) von Manfred Rinderspacher

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© 1997 – today | ISSN 2751-4099

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