Review: John Coltrane – Both directios at once – the lost album

Coltrane - Both Directions - The lost album Cover

Impulse Records – 00602567639251

Der nur vier Jahre nachgeborene Saxophonist Sonny Rollins bringt es auf den Punkt: Mit den Worten, es sei als ob man in der Cheops-Pyramide eine neue Kammer entdeckt, kommentierte er das Wiederfinden eines seit fünf Jahrzehnten verschollenen Albums des Kollegen John Coltrane. Man wusste, dass die Einspielung vom 6. März 1963 existierte, doch Coltrane hatte das Referenzband mit nach Hause genommen, wo es jetzt unter dem Nachlass von Juanita Naima, der Ehefrau des legendären Saxophonisten entdeckt wurde.

Der Ankündigungstext spricht vom „Heiligen Gral des Jazz“ und lobt die Symbiose von musikalischer Höchstleitung und spiritueller Ekstase. Coltrane hatte die lange verschollenen Stücke mit seinem klassischen Quartett in den Van Geldern-Studios aufgenommen. Am Piano saß McCoy Tyner, den Bass zupfte Jimmy Garrison und die Trommeln rührte Elvin Jones.

Zu hören sind Original-Kompositionen, die auf keiner anderen Einspielung zu finden sind. Sie tragen nur Nummern wie das nahezu sechs Minuten lange „11 383“ und das fast neun Minuten dauernde „11 386“. Coltrane bläst in beiden bislang unveröffentlichten Stücke sein Sopransaxophon. Auf dem ersten „Untitled Original“ steht neben dem Blasinstrument ein gestrichenes Bass-Solo von Garrison. In der zweiten Entdeckung kehren die Musiker zwischen den Soli immer wieder zum Thema zurück, wobei der Pianist oder der Bassist jeweils mit dem Schlagzeuger sich gegenseitig antreiben. Daneben sind fünf Stücke wie der „Nature Boy“ mit seinen Überblas-Ekstasen, „Vilia“ (aus der Feder des Operetten-Komponisten Franz Lehar) mit der sonoren Intro, „Impressions“ als Trio ohne McCoy Tyner, „Slow Blues“ sowie „One Up, ohne Down“ mit einem Duell von Elvin Jones und John Coltrane zu hören.

John Coltranes klassisches Quartett von 1963 verdichtete seine Interpretationen exzessiv und intensiv, was besonders beim „Slow Blues“ zur Geltung kommt. Der Pianist schuf durch Akkordwechsel Freiräume, die der Saxophonist auskostete. Der Schlagzeuger trieb seine Partner vor sich her, während der Bassist die Ekstase so weit erdete, dass der Saxophonist John Coltrane sich nicht in der Unendlichkeit der Improvisation verlor. Faszinierend ist in dieser Hinsicht Garrisons Solo auf „One up, one down“.

Der inzwischen 52-jährige Ravi Coltrane, selbst ein Saxophonist, versucht auf „Both Directions“ die Intensionen seines Vaters zu treffen. Übrigens: Sieben alternative Takes gibt es auf einer erweiterten Deluxe Edition.

 

 

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