Der Fluss immerwährender Energie charakterisierte in bewusst unterdrückter Form auch die getragenen Passagen MCA Power Trios in der Rüsselsheimer Jazzfabrik. Dafür sorgte vor allem die stete Präsenz von Terri Lyne Carrington, die scheinbar mühelos komplizierte Polyrhythmen trommelte und die Partner selbst dann antrieb, wenn David Murray auf dem Tenorsaxophon seine orgiastischen Ausflüge anstimmte. Die Hände der Pianistin Geri Allen rasten in Notentrauben und Trillern sowie schnellen Läufen über die Tasten, mal zauberte sie hymnischen Sounds auf dem Flügel, mal zitierte sie die Klassik. Je nach Betrachtungsweise kollidierten oder verbanden sich die gewagten Saxophonläufe Murrays mit den provozierenden Klavierimprovisationen Allens und der zugleich kraftvollen und filigranen Vielschichtigkeit Carringtons.
David Murray liebt überspitzte High-Notes und übermäßig große Sprünge in der Tonhöhe sowie der Dynamik. „Das ist super“, sagten einige Besucher nach dem fast zweistündigen Konzert. „Eine gute Drei“, vergaben andere Zuhörer Noten für das Trio-Spiel. Sie verwiesen auf die virtuose Technik des 61-jährigen Tenorsaxophonisten, die zugleich bewundernswerte Fähigkeit und in der Häufung Fluch ist. Ein wenig zu oft bläst Murray in den höchsten Lagen, wagt die Sprünge zwischen der Free-Jazz-Avantgarde in der Ekstase eines Albert Ayler und der melodiösen Expression eines Coleman Hawkins.
Insgesamt gesehen ist diese meisterliche Integration von Piano und Schlagzeug in das eigenwillige Spiel des Tenorsaxophonisten als kontrastierende Momente jedoch reizvoll. Und swingender, fast konventionell, wird Murray, wenn er zur Bassklarinette greift, was er an diesem Abend – wie bei einer Komposition der Pianistin Geri Allen – leider nur selten tat. Schrittweise hat Murray, einer der Mitbegründer des „World Saxophone Quartet“, sein Spiel auf den beiden Instrumenten melodisiert. Geblieben ist die selbstverständliche Lockerheit mit der er Polytonalität bis zur Mehrstimmigkeit, die kontrollierte Einbeziehung von Obertönen und trotz vieler Vibratos jene Rauigkeit erreicht, die offensichtlich aus der Blues- und Gospel-Tradition kommen.
Traumhaft sicher und fühlbar in der Spannung zwischen Form und Freiheit war die Beziehung der drei meisterlichen Spieler David Murray, der Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington und der Pianistin Geri Allen. Ob nun im Trio oder in den zahlreichen Duos von Carrington und Allen, die Interaktionen zeugten von Intimität und gegenseitigem Verständnis. Geri Allen, die technisch virtuos die unterschiedlichen Stile des Jazzpianos vereint und in ihren frühen Alben noch stärker avantgardistische Elemente verarbeitete, freute sich, wenn im Duo Carrington die musikalischen Rufe der Pianistin aufgriff und reagierte. Die Schlagzeugerin ihrerseits suchte oftmals den Augenkontakt mit der Pianistin, mit der sie unter anderem auf „Mosaic“ spielte. Auf diesem Album versammelte – wahrscheinlich im Protest gegen die männliche Übermacht im Genre – die „female Artist“ ausschließlich zwanzig Musikerinnen und Sängerinnen. Und Murray, nach wie vor ein Rebell in der Avantgarde ebenso wie in der Tradition, tänzelte während der Zweierspiele auf der Bühne, warf seine Akkordfetzen ein oder blies seine ekstatischen Läufe. Dass die drei Künstler ihr Metier aus einem tiefgreifenden Bewusstsein des gesellschaftlichen Umfeldes verstehen, ist eher aus ihrer Biografie als aus dem Trio-Spiel zu entnehmen.