Kenny Garrett mit Quintett in der Rüsselsheimer Jazzfabrik, 29. Oktober 2013

Kenny Garrett in Rüsselsheim 2013 - Foto: Mümpfer

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer

Brodelndes funky Powerplay

Als Miles Davis am 25. August 1991 das letzte Konzert vor seinem Tod gab, stand ein junger Kenny Garrett an seiner Seite. Heute windet sich der inzwischen 53-jährige Saxophonist auf der Bühne der Rüsselsheimer Jazzfabrik, bläst die Stakkato-Läufe in sein Sopransaxophon oder improvisiert ruhige fast meditative Linien auf dem Altsaxophon. Angetrieben wird die fünfköpfige Funk-Maschine von dem rhythmisch komplexen  und kraftvollen Styling des Drummers McClenty Hunter und dem Percussionisten Rudy Bird. Kenny Garrett hat sein Quintett auf Powerplay ausgerichtet. Tempo, Energie und voller Sound vom Anfang bis zum Party-Rausch am Ende. Er und sein Pianist Vernell Brown spornen sich gegenseitig an. Brown lässt die Fingen eilfertig über die Tasten fliegen oder hämmert Akkordschichtungen  in den Flügel, während der Saxophonist sich die Lunge aus dem Leib bläst. An dieser Konzeption ändern auch die Balladen und getragenen sonoren Läufe auf dem Altsaxophon wenig. Forte und Pianissimo. Kenny Garretts Musik lebt von Kontrasten. Wenn der Saxophonist in Interaktionen mit seinen Partner tritt, dann pulsieren die Kompositionen des Bandleaders, dann dampft, swingt und kocht es.

In seinen ausgedehnten Soloausflügen auf dem Alt- und den Sopransaxophon scheinen Garretts Kreativität und Technik keine Grenzen zu kennen. Dies gilt auch dann, wenn er in seiner Liebe zu Harmonievariationen und ostinaten Akkordfolgen zu Wiederholungen neigt.  Seine Läufe scheinen in Wettstreit mit dem unermüdlichen und hochenergetischen Drummer McClenty Hunter zu treten, werden beflügelt von dem vielschichtigen Powerplay auf Fellen und Becken. Bassist Corcoran Holt zupft straight marschierend schnelle Linien, ab und zu in Slap-Technik. Aber er überrascht auch in seinen teilweise ausgedehnten Soli mit harmonischen Wendungen und reizvollen Verzierungen.

Kenny Garrett Mümpfer Foto

An diesen kurzweiligen Abend kommen die Zuhörer in der gutbesuchten Jazzfabrik in den Genuss von Kompositionen aus den CDs „Seeds from the underground“ und „Pushing the world away“. Brodelnd heiß ist bereits der funky Opener des Konzerts. Up-Tempo mitreißend kreuzen sich die expressiven Saxophon-Linien und die rasanten Piano-Läufe. Doch bereits im nachfolgenden Blues bläst der Saxophonist cantable Melodien, schließt in sich versunken die Augen, bis er überspitzt ins Finale überleitet, um dann die Komposition doch sanft ausklingen zu lassen.

In diesem Wechsel von ekstatischen Up-Tempo-Stücken, in denen Garrett seine Saxophone schreien und stöhnen lässt, und in endlosen Läufen immer neue Variationen des Themas findet, sowie den getrageneren Balladen mit singenden Linien, pulsiert die Band gut neunzig Minuten, bevor Garrett und seine Mannen die Bühne erstmals verlassen.

Angespornt von den Beifall des euphorischen Publikums kommt der Musiker mit dem inzwischen traditionellen Ruf-Antwort-Spiel des funky Post-Bop-Predigers zurück und die schier endlose Party beginnt. Garrett intoniert einen Ohrwurm der an „Sing my Song“ erinnert, fordert mit der rechten Hand das Publikum zum Klatschen und Tanz auf und beginnt den Song immer wieder aufs Neue, wenn ihm die Reaktionen der Zuhörer nicht ausreichen. Schließlich verabschiedet er seine Mitmusiker einen nach dem anderen, während er weiterhin sein Saxophon jauchzen lässt. Kenny Garrett hat mit seinem Konzert den überregional guten Ruf Rüsselsheims, den die Stadt der Jazzfabrik verdankt, erneut gefestigt.

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