Buchvorstellung „50 Jahre Backstage“ bei Würth in Gaisbach
Zum ersten Mal erlebte ich ihn aus der Nähe, als er 1971 bei einem Konzert mit den Pianisten Friedrich Gulda, Horst Jankowski und Martial Solal im Heidelberger Schloss höchstpersönlich schwitzend und schnaubend weitere Stühle heranschleppte – den allseits bekannten Konzertveranstalter Fritz Rau. „Backstage“ begegnete ich ihm dann ein Jahr später in der Frankfurter Jahrhunderthalle Hoechst. Auch beim Deutschen Jazz Festival wirkte er mit und betreute uns Newcomers ganz herzlich, palaverte relaxt mit uns – und gab seiner Freude über das avantgardistische Klarinettenspiel zum Ausdruck. Später meldete sich Fritz Rau bei mir, wenn er Texte oder ein Foto brauchte. Ich selbst konnte bei ihm ohne Schwierigkeiten Pressekarten für die Rolling Stones, Miles Davis oder Frank Zappa anfordern.
Nun hat der 1930 bei Pforzheim geborene Rau („ein Bauernbub aus dem schwäbischen Schwarzwald“) eine Autobiografie unter dem Titel „50 Jahre Backstage“ vorgelegt. Der SWR-Moderator Matthias Holtmann, der früher auch hinterm Schlagzeug saß, befragte im Museum Würth (Künzelsau-Gaisbach) den gescheiterten Amateur-Bassisten und erfolgreichen Konzertmacher Fritz Rau. Keine Lesung im üblichen Sinne – Rau konnte die Stichwörter kaum abwarten und redete extempore vergnügt und humorvoll.
Doch auch Nachdenkliches kam immer wieder zum Vorschein. Rau bekannte sich ganz „un-helmut-kohl-isch“ zur „Gnade der frühen Besatzung“. Der vormalige stramme Hitlerjunge wurde nach eigenem Bekunden „durch den Jazz nach 1945 entnazifiziert“. Für ihn ist der Jazz die „Musik der Individualität, der Freiheit, der Menschlichkeit“. Seine Premiere als eigenständiger Konzertveranstalter hatte der damalige Jurastudent am 2. Dezember 1955 in der Heidelberger Stadthalle. Einem Kinobesitzer hatte Rau ein Darlehen von fünftausend Deutschen Mark abgeschwatzt, aber mit 1400 Besuchern war die Veranstaltung mit dem Posaunisten Albert Mangelsdorff und seinen Frankfurt All Stars ausverkauft und keineswegs ein finanzieller Reinfall.
Das musikalische Herz von Fritz Rau schlägt auch für Blues, Folk und Rock. Da versuchte er in England vergeblich, ein paar aufdringliche Teenager vom Backstage-Bereich zu vertreiben. Es waren Keith Richard, Mick Jagger und Co. Als „Rolling Stones“ fühlten sie sich dann Jahre später von Fritz Rau vor Ort bestens gemanagt. Sänger Jagger war es, der den zögernden Rau überredete, 1976 im Stuttgarter Neckarstadion sein erstes Openair aufzuziehen. Nicht weniger wohl fühlte sich der Songpoet Bob Dylan auf dem berüchtigten Zeppelinfeld von Nürnberg.
Fritz Rau plauderte vor dem jungen Auditorium in Gaisbach gerne aus dem Nähkästchen: Stones-Drummer Charlie Watts sei vor einem Auftritt mit einem Tröpfchen Wormser Liebfrauenmilch zu beglücken, während für Janis Joplin ein Tequila unabdingbar gewesen sei. Jimi Hendrix („ein sehr wertvoller Mensch, ein Genie, das das Gitarrenspiel neu erfand“) und Marlene Dietrich hatten gemeinsam, dass sie sich von Fritz Rau nicht für Linsen und Spätzle begeistern ließen.
Eine andere Frustration für Rau war seine Nicht-Entdeckung des Talents von Herbert Grönemeyer. Als Traum hätte der alte Mann gehabt, eine Tournee mit Barbara Streisand durchzuführen. Aber die Schauspielerin und Sängerin möchte nicht in dem Land auftreten, das für die Ermordung von Millionen Juden verantwortlich ist. Musik-Kultur, Gesellschaft, Geschichte und Politik sind eben miteinander verflochten – Fritz Rau weiß das ganz genau aus eigener Erfahrung.
Hans Kumpf
Info:
Fritz Rau – 50 Jahre Backstage
Erinnerungen eines Konzertveranstalters
Vorwort von Udo Lindenberg
304 Seiten mit 24 Fototafeln, gebunden
Palmyra Verlag, 2005
ISBN 3-930378-65-5
€ 19,90