NEW YORK. Relativ „weiß“ und europäisch kopflastig klang meist die Musik des afroamerikanischen Pianisten John Lewis. Mit seinem „Modern Jazz Quartet“ pflegte er ab Anfang der fünfziger Jahre barocke Linienführung und Kontrapunktik – und brachte den derart domestizierten und „kultivierten“ Jazz in nachkriegsdeutsche Schulstuben. Jazz ohne Anrüchigkeiten seiner Geburtsstadt New Orleans, keine „Niggermusik“ mehr… Stattdessen: Jazz mit Schlips – respektive Fliege – und Kragen.
John Lewis interessierte sich freilich nicht nur für die traditionelle Musik Europas – er pflegte auch freundschaftliche Beziehung zu dem Neutöner Karlheinz Stockhausen. Der Avantgarde-Komponist erzählte mir, dass man sich gegenseitig mehrfach in Köln und in New York besucht habe. Und in New York wohnten der coole Kontrapunktiker und der mystische Reihentechniker gemeinsam einem Konzert des alten Swing-Hasen Count Basie bei. Stilistische Aufgeschlossenheit allenthalben, auch wenn diese nicht in kompositorische Praxis umgesetzt wurde.
Stuttgart erlebte John Lewis zuletzt 1992, als dieser beim „Jazzgipfel“ zusammen mit seinem „Modern Jazz Quartet“ und dem klassischen Kammerorchester „Arcata“ auftrat. Die amerikanisch-schwäbische Kooperation führte da nicht zu innovativen Ergebnissen, vielmehr wurde Altbewährtes aufgewärmt, beispielsweise seine Stücke „Three Windows“ oder „A Day in Dubrovnik“. John Lewis irritierte schließlich mit seinem „MJQ“ die Jazzwelt nicht mehr, innerhalb der Jazz-Szene verbleibt der komponierende und arrangierende Künstler nun samt seiner Vier-Mann-Combo als eine wahrhaft historische Größe.
(April 2001)