Wie wär’s mit Meckern gleich zu Beginn? Das Klavier im Alten Stadtsaal Speyer hat klanglich gewisse Saloon-Qualitäten und auch wenn Meisterpianist Florian Ross natürlich jedem Tasteninstrument Virtuoses und Seelenvolles entlocken kann, so fehlt dem großartigen Trio 120 doch ein wenig der voluminöse Wohlklang eines Steinway Flügels, der den Kompositionen der drei Musiker den akustischen Raum gäbe, den sie zur Perfektion noch bräuchten. Und das war es auch schon mit Meckerei.
Das erste JazzFest Speyer war ein großer Erfolg. Rein ökonomisch gesehen – wahrgenommen schon im Vorfeld anhand leicht geknickter netter Bekannter, die an der Kasse wegen „Ausverkauft“ abgewiesen wurden. Aber auch musikalisch ein überzeugendes Programm.
Mit Bassist Dietmar Fuhr ein „noch gefühlter“ Speyerer Bürger im Trio 120, daneben sein Bruder Wolfgang am Tenorsaxophon komplettiert mit dem Kölner Pianisten Florian Ross. Die Drei spielen ein Programm durch ihre beide bisherigen CDs „Flug“ und „aram“ und gaben einen Ausblick auf ihre in der kommenden Woche aufzunehmenden Dritte. Höchst eigenwillig und kreativ spielten die drei Musiker improvisierte Musik, wie man sie selten zu Hören bekommt. Eigenwillig im besten Sinne, dichtversponnen, komplex auf der einen Seite aber auch ohne Scheu vor gelegentlich choralhaft-volkstümlicher Melodieschönheit.
Ein echtes Heimspiel für Jutta Glaser und Claus Boesser-Ferrari – zumindest, wenn man die „Heimat“ ein paar Kilometer über die Stadtgrenzen Speyers großzügig definiert. Selbst wenn man in den vergangen Jahren einige Konzerte der Sängerin und des Gitarristen hören konnte: immer wieder überraschende Drehungen und Wendungen bei den bekannten Stücken, Improvisatoren vor dem Herren und diesmal mit kleinen kreativen Ausbrüchen in Form musikalischer Haikus. Brillant.
Underkarl waren am Vorabend von einer Mittelamerika Tournee zurückgekehrt, optisch am dort erworbenen – stimmungsaufhellendem – organgefarbenen Anzug des Schlagzeugers und der Gesichtsfarbe des Bandleaders Sebastian Gramss zu erkennen. Die anderen Musikanten schienen den Schatten bevorzugt zu haben, keine Auffälligkeiten im Teint. Bei Herrn Mahall ohnehin, denn der war zuhause geblieben und durfte sich mit seinem „Ersatzmann“ Christof Thewes die Bühne teilen. Der Posaunist fügte sich nahtlos ins damit zum Sextett erweiterten Ensemble ein weckte die Erinnerung an frühere Zeiten als bei Underkarl noch ein gewisser Herr Wogram die Posaune erschallen ließ. Dass die Band im Kern schon seit vielen Jahren zusammenspielt hörte man bei jedem Ton. Gramss Kompositionen sind mal schroff, manchmal schon fast poppig ohrschmeichelnd. Ein Allstarensemble bei dem jeder eigentlich ein hochgradiger Individualist in schon fast arkestraartiger Hinwendung zum Projekt Underkarl seit Jahren eine der originellsten Bands der Jazzszene „am Laufen hält“ – man glaubt fast, dass jeder von ihnen aus dem Tiefschlafgeweckt, eine der 400+ Fanfaren von Meister Gramss auf Anhieb spielen könnte. Drei durften die Zuhörer im Alten Stadtsaal Speyer hören…
…und das Publikum war begeistert, trotz eines Bassklarinettisten, der sich unters Volk mischte und vergeblich mit Buh-Rufen die Zugabe verhindern wollte…
Fazit: Da capo JazzFest Speyer im kommenden Jahr!