Eine Nachricht, die mit dem Konzert der Jazzpreisträger Heinz Sauer und Michael Wollny nur indirekt in Verbindung steht, sorgt für Überraschung: Ab dem kommenden Jahr wird der Jazzpreis, den das Land Rheinland Pfalz und der Südwestrundfunk gemeinsam finanzieren, von 10 000 Euro auf 15 000 Euro aufgestockt. In diesem Jahr nehmen der 75 Jahre alte Saxophonist Sauer und der gerade mal 30 Jahre junge Pianist Wollny noch die Urkunden und 10 000 Euro beim Preisträgerkonzert im SWR-Foyer in Mainz aus der Hand von Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig entgegen.
Eingebettet ist die launige Preisverleihung in ein Konzert, in dessen erstem Teil das Duo mit einem ebenso intensiven, expressiven wie fließenden, introvertierten „Dialog der Generationen“ belegt, dass es dem renommierten Preis gerecht wird. Später erweitert sich das Duo mit dem Gamba-Spieler Jörg Meder zum Trio. Meder fühlt sich mit seiner Viola da Gamba nicht nur in der klassischen, etwa der Barockmusik, zu Hause, sondern bringt reichlich Crossover-Erfahrungen mit – so in der Zusammenarbeit mit der in Wiesbaden lebenden Sängerin Meric Yurdatapan.
Diese Berührungen mit der orientalischen Musik werden bereits beim ersten Stück des Trios hörbar, wenn Meder mit dem Bogen einen getragenen Grundton streicht, während er später in einem Solo von geradezu klassischen Anstrich sein Instrument mit Vibratos jubilieren lässt und mit harmonischen Verzierungen das Thema umspielt. Von einer Symbiose zu sprechen wäre vielleicht übertrieben. Das Zusammenspiel zieht seinen Reiz mehr aus dem Kontrast der Klangfärbungen selbst dann, wenn ein dramatischer Streicherpart auf wilde Akkordschichtungen des Pianisten antwortet. Meder verzichtet auf den gedeckten Ton mit dem leicht näselnden Beiklang des Instruments und setzt die Gamba stärker als Bassbasis für die Duo-Aktionen von Sauer und Wollny ein.
Das Konzert in Mainz beginnt mit einigen in Saxophon gehauchten Atemstößen, tonlos fast, bis das Piano mit suchenden Single-Notes die Melodie aufnimmt. Später verfällt Wollny in einem Hochgeschwindigkeitslauf, dessen Spannungsbögen Sauer mit balladeskem Ton abbaut, um dann wiederum auf kraftvolle Akkordschichtungen mit spitzen aufwärts steigenden Schreien zu antworten. Einmal erinnert Wolly mit seinen Ostinati von hymnischer Fülle an den frühen Dollar Brand. Repetitive Passagen finden sich auch immer wieder im Spiel Sauers.
Der Ton des Saxophonisten mit gebrochenen, hinaus gestoßenen Phrasen, rau und intensiv, mit zurückhaltender Überblastechnik, aber fast immer mit liedhaften Linien, ist einzigartig und unverwechselbar. Bereits in den 60er Jahren, als der Free-Jazz nach Deutschland überschwappte, hat Sauer im Quintett des Posaunisten Albert Mangelsdorff jene Freiheit ausgekostet, die die Tradition nicht verleugnet. Heute verbindet sich dieses Spiel trefflich mit dem des jungen Pianisten, der vor allem bei klanglicher Transparenz befreiende Wucht mit lyrischer Verspieltheit vereint. Mal leitet Wollny ein Stück mit hingetupften Single-Note-Ketten ein, auf die Sauer mit gehauchten Saxophonrufen antwortet, dann wiederum explodiert der Pianist in rasenden Läufen über Ostinati in den Bassregistern, während der Saxophonist seine Phrasen überblasen „hinausrotzt“. Dass zwischendurch Wollny gleichzeitig die Tasten greift und im Innern des Flügels die Saiten zupft oder mit Metall-Teilen die Klänge verfremdet, ist keine Effekthascherei. Er erweitert den Klangraum, den beide Künstler dann virtuos ausfüllen.
Das SWR sendet das Konzert am 18. Juni, 19.05 Uhr in der SWR-2-Jazz-Session.