Oli Steidle hat die Linernotes seiner CD „euphoria“ selbst geschrieben. Und der Stolz auf sein Werk schwingt in den Zeilen mit. Es ist ein lesenswerter Text, ach was, eine flammender Appell an Zuhörer und Veranstalter. Es geht um musikalische Offenheit, um Musik mit Bedeutung und um den Mut von Veranstaltern, ihrem Publikum anspruchsvolle Musik zu präsentieren. Aus Erfahrung stellt Steidle fest, dass die Furcht vor „Musik, die nicht im Kuschel-Kurs daher kommt“, sich am Ende in Wohlgefallen auflöst, weil die Konzertbesucher diese Musik sehr wohl schätzen und von Veranstaltern in dieser Hinsicht eher unterschätzt werden. Kein Wunder, dass sich die Band mit Frank Gratkowski am Altsaxophon, Kalle Kalima an der Gitarre und Oli Steidle am Schlagzeug, im Rudersport gut gelaunt zeigte: dort rennen sie beim veranstaltenden Jazzarchitekten mit diesen Ansichten offene Türen ein. Und sie haben es in Wiesbaden leicht, weil sich dort längst ein Publikum trifft, das Steidles Thesen größtenteils unterschreiben würde.
Als Einstieg eine kleine Exposition mit einigen abgehackt dahin geworfenen Musikhappen, unstrukturiert, und dann wuchtige, fast schon brachiale E-Gitarrenakkorde, von Steidles Schlagzeug polyrhythmisch unterlegt aber auch sofort wieder gebrochen. Gratkowski findet eine Linie und spielt ein klares, luftiges Solo – bevor sich die Band wieder ins bewusste Chaos begibt. Dynamisch, explosiv – als Hörer darf man sich gelegentlich ein paar Sekunden zum Mitwippen anmiert fühlen, der nächste Break folgt in Sekunden. Diese Musik oszilliert, sie flirtet ständig mit dem Chaos und sie kennt selbst in ihren gefälligsten Momenten den schnellen Ausgang aus der Zuhörerbequemlichkeit. Grandios „Der diebische Elst“: aus einem polyrhthmisch gewebten Spiel von Steidle und Kalima, mit imitierten Kalimba Klängen, entwickelt sich ein vermeintliches Unisonospiel von Gratkowski und Kalima, dass mit seinen lustvollen mikrotonalen Dissonanzen eine fast schmerzhafte Reibung erzeugt – viel besser kann man Falschheit musikalisch kaum darstellen. „Mein Bestreben in der Musik war schon immer, Geschichten zu erzählen“ schreibt Steidle. Es funktioniert, und Spaß macht es zudem.