Nils Landgren´s „Sentimental Journey“ im Mainzer Frankfurter Hof, 8. Mai 2003

Am Ende des Konzertes tanzen die Zuhörer soweit es die Enge der Stuhlreihen zulässt und klatschen frenetisch zu den treibenden Rhythmen des Funk-Unit-Hits „Ain´t Nobody“. Nild Landgren wirbelt über die Bühne, die berühmte rote Posaune in die Luft stoßend, Jesper Nordenstrom windet sich wie einst Keith Jarrett vor dem Piano, Dieter Ilg zupft seine Walking-Bass-Linien und Wolfgang Haffner lässt sein Drum-Set groovend pulsieren.

Kraftvoller Funk steht aber nur für eine Seite des schwedischen Posaunisten. Das Mainzer Publikum kennt Nils Landgren als sanften Balladensänger aus einem Weltmusik-Duo mit dem Pianisten Essbjörn Svensson, aber auch als Jazz-Pop-Rock-Spezialist mit der Funk Unit. „Sentimental Journey“ – so auch seine neue CD – vereint das Beste aus beiden Landgren-Lagern. Dies gilt für das Tournee-Programm noch mehr als für die Silberscheibe.

Da folgt das sanfte Liebeslied „Ghost in this house“ mit seinen sensiblen und hingetupften Single-Note-Figuren sowie dem leicht brüchigen Gesang unmittelbar auf „Cold Duck Time“, einem schnellen und druckvollen Stück mit kräftigem Posaunensolo, der harmonisch reizvollen und mit Verzierungen garnierten Bass-Improvisation und einem treibenden Schlagzeug-Part mit durchlaufendem Beat, der Hafffner-typischen rhythmischen Energie. „Nature Boy“ gewinnt nach der zart angeschlagenen Intro auf dem Flügel zunehmend an Intensität. Landgren ergänzt seinen kehligen Gesangspart mit einem warm klingenden Posaunensolo in den mittleren Lagen. Dann ist der Posaunenton von gleicher Fragilität wie der Sprech-Gesang. Landgren ist einer der interessantesten Sänger des Jazz ohne Stimme – und das mit starker Ausdruckskraft. Seit Chet Baker haben Songs das Gemüt nicht mehr so direkt berührt.

„Fragile“ ist eine der schönsten Kompositionen an diesem Abend. Dieter Ilg kostet die Kunst des Bass-Spiels mit einem weit gespannten Solo aus – voll harmonischer Vielfalt, mit Glissandi und Blue-Notes, Wirbelgriffen und stets swingend. „I will survive“ zählt zu den aufregendsten Stücken. Nicht nur, weil Landgren es nach einem hymnisch anmutenden Finale nahtlos in eine Improvisation überleitet, in der er mit mehrstimmigem Spiel in Obertönen, growlend in den tiefsten Lagen sowie mit aufschreienden Schleiftönen beim Einatmen technische Virtuosität beweist. Zum Vergnügen der Zuhörer zerlegt der Schwede die Posaune, bläst auf Rohr und Mundstück, setzt seine Lippen schnalzend als Instrument ein und zieht die Schallrohrbögen knallend auseinander. Ein unterhaltsamer Gag, der aber keineswegs peinlich wirkt. Sein hintergründiger Humor hat Landgren bislang vor dem Abgleiten ins Sentimentale oder Banale bewahrt.

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