Das Sopransaxophon schreit in den höchsten Lagen. Ein expressiver Lauf, vibratoreich, überblasen, mit rauem Ton. Im Hintergrund der treibende Pulse des Schlagzeugs, auf dem Piano ein Hochgeschwindigkeitslauf. Aus dem Bass strömen gitarrengleich schnelle und gerade Linien. Dann fällt die Trompete in das hochenergetische Spiel ein und füllt das Crescendo mit heißen Stakkati. „Mason & Dixon“ ist eine unglaubliche dichte und intensive Komposition, komplex wie die meisten der Stücke, die das Martin Auer Quintett als Gast bei der Jazz-Initiative Mainz (jim) den Zuhörern präsentiert.
Powerplay in der Hardbop-Tradition mit Ausflügen in frei pulsierende Modernität ist die eine Seite der Formation des jungen Trompeters, kammermusikalisch fein ziseliertes Spiel die andere. Da gibt es in „Never give up“ nach einem treibenden Mittelteil zarte Passagen mit nahezu gehauchten und schwebenden Sounds auf der Trompete sowie sanft geschwungenen Linien auf dem Altsaxophon. Dann perlen Single-Notes aus dem Piano, während der Bass einige Harmoniewendungen vollzieht und das Schlagzeug mit hellem Beckenklang im Hintergrund steht.
Spannungsreich wie der innere Ablauf der Kompositionen ist auch das Programm des Abends. „Germanturkistan“ steht mit sattem Bläsersound, gestochen scharfem Trompetensolo, ekstatischem Sopransaxophon und einem Crescendo zum Ausklang im starkem Kontrast zum nachfolgenden „Ex 15“. Dieses Stück besticht mit einer getragenen Intro und einem melodischen Altsaxophon-Solo des extrovertiert spielenden Florian Trübsbach, das mit ostinaten Kürzeln auf dem Piano unterlegt wird und schließlich in einen hymnisch kraftvollen Ausflug mit dynamischen Wellenbewegungen einmündet. In „Leave the place“ greift Martin Auer schließlich zum Flügelhorn, glänzt Bassist Andreas Kurz mit einem straight gezupften, klassisch anmutenden Solo auf dem Kontrabass, während Bastian Jütte am Schlagzeug zurückhaltend trommelt und Jan Eschke auf dem Klavier eine perlende Single-Note-Linie beisteuert.
Die Uni-Sono-Passagen von Saxophon und Trompete, die spannungsgeladenen Dynamiksprünge, der Wechsel zwischen Lyrik und Ekstase sowie die Verwurzelung in der Bebop-Tradition sind die Wahrzeichen dieses technisch und künstlerisch untadeligen Quintetts aus dem beiden deutschen „Hauptstädten“ Berlin und München. Mit ausgefeilten Kompositionen und emotionalem Spiel hat das Martin Auer Quintett zu einem eigenständigen Personalstil im zeitgenössischen Jazz gefunden.
Ein anstrengendes Konzert, das bislang ungehörte Klänge zu Collagen zusammenschweißt. „Joyful noise“ hat ein Kritiker dies treffend genannt. Eine Musik, bizarr und aufrührerisch, die die Zuhörer fordert. Die müssen Offenheit und Neugier mitbringen, um ihr zu folgen. Doch wer dies tut, ist um ein Erlebnis reicher.