Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Pianist Olaf Kordes leitet „Das Letzte Abendmahl“ von Oscar Petersons „Easter Suite“ mit sanften Akkorden und dynamischem Anschlag ein. Im schnellen Satz „Der Garten Gethsemane“ hämmert er kraftvoll in die Tasten des Flügels, während in der folgenden „Verleugnung“ wiederum die Notenlinien lyrisch mit melancholischer Stimmung in den Raum der Mainzer Christuskirche perlen. Wolfgang Tetzlaff zupft den Kontrabass in melodischen Linien mit reizvollen Harmoniewendungen und Karl Godejohann streicht mit den Besen angepasst flexibel die Felle der Trommeln. Die Intensität des perfekt abgestimmten und sensibel agierenden Triospiels steigert sich und nimmt an Kraft sowie Lautstärke zu, um in „Warum hast Du mich verraten?“ mit wuchtigen Trommelwirbeln im Marschrhythmus die Soldaten zu assoziieren, die Christus fesseln und abführen.
Das Jazz-Trio Kordes, Tetzlaff, Godejohann interpretiert rein akustisch Petersons „Easter Suite“, die er 1984 im Auftrag der britischen BBC komponierte – ein Werk, das von dem virtuosen Umgang des kanadischen Pianisten mit stimmigen Tempi und differenzierender Dynamik zeugt.
Die zutiefst berührende Passionsgeschichte versenkt sich tief in die Diktion des Komponisten, denn es gibt keine Partitur der Suite – lediglich einen DVD-Mitschnitt vom 1984er-Konzert mit Peterson, Niels-Henning Oersted-Pedersen und Martin Drew in London. Die drei Musiker aus Westfalen haben ihre Version per Anhören transkribiert. „Ich wollte mit Absicht wie Oscar Peterson klingen und nicht mein persönliches Spiel in den Vordergrund stellen“, betont Pianist Kordes. In der Tat haben die Künstler die neun kurzen Sätze des Werkes feinsinnig musikalisch umgesetzt.
Die Zuhörer erleben ein faszinierendes Spiel auf dem Flügel von sanften Single-Note-Tupfern bis zu kraftvollen Akkordschichtungen, auf dem Schlagzeug von leiser Besenarbeit auf den Becken bis zu treibenden Wirbeln auf den Trommeln, von sensiblen Linien auf dem Kontrabass bis zu dem tonangebenden Lauf in „Bist Du der König der Juden?“. Immer löst die Passionsmusik, die den Leidensweg Christi bis zu dessen lichtvoller Auferstehung in fast szenischen Klangfarbenspielen schildert, ein nacherlebbares Mitgefühl aus. Die Emotionen des Publikums reichen von fußwippendem Jazz-Feeling fließender Läufe bis zur Ergriffenheit bei der enormen Klangfülle des Trio-Spiels.
Dem Jazz-Trio Kordes-Tetzlaff-Godejohann kommt das Verdienst zu, seit fast zehn Jahren die lange vergessene Komposition Petersons wieder auf die Bühne zu holen und 2006 auf einer CD gebrannt zu haben. Der Dekanatsmusikerin Barbara Pfalzgraff verdankt das Mainzer Publikum ein unvergleichliches Konzerterlebnis an einem akustisch hervorragend geeigneten Ort.
Diesen musikalischen Genuss rundet das Trio mit dem „1. Satz des 5. Brandenburgischen Konzertes“ von Johann Sebastian Bach im Arrangement des Jazzpianisten Jacques Loussier ab. Das Konzert endet mit „My heart belongs to Daddy“ von Cole Porter in der Peterson-Fassung sowie der berühmten, Blues- und Spiritual-getränkten „Hymn to freedom“ des Pianisten aus dem Jahr 1962.