Sidney Bechet war der erste stilprägende Sopransaxophonist des Jazz und gemeinsam mit Louis Armstrong womöglich der kreativste Improvisator in der frühen Epoche der schwarzen Musik. Dass Bechet darüber hinaus selbst bei dem am Jazz nicht unbedingt interessierten Publikum große Beliebtheit genoss, hat er wohl ebenso wie „Satchmo“ dem Vermögen zu verdanken, dass er populäre Songs ohrwurmartig für den Jazz aufbereitete.
Bechet ist 1959 in Paris gestorben. René Franc war einer seiner gelehrigsten Schüler und dessen Sohn Olivier wiederum bewahrt das Erbe des legendären Klarinettisten und Saxophonisten mit einem bewundernswerten Talent und geschmackvoller Stilsicherheit. Beim Konzert des Jazzclubs Rheinhessen konnten die Zuhörer in der ausverkauften Saulheimer Sängerhalle nachvollziehen, dass der Zauber der Bechet- Kompositionen mit der weit ausholenden romantischen Melodik und dem getragenen, eleganten Vibrato nicht vergangen ist. Olivier Franc´s Version von „Petite fleur“ stand dem Original in nichts nach.
Der Franzose war Gast des „International Trio“ mit dem deutschen Klarinettisten Reimer von Essen, dem französischen Pianisten Christian Azzi und dem britischen Schlagzeuger Trevor Richards. In „Promenade aux Champs Elysées“ fanden sich erstmalig an diesem Abend die Instrumente von Reimer von Essen und René Franc zum zweistimmigen Spiel, das seinen besonderen Reiz aus dem Zusammenklang des meist dunkel timbrierten und warmen Klangs der Klarinette mit dem etwasaufgerauten singenden Sound des Sopransaxophons zog. „Georgia Cabin“ war eines der getragenen Themen mit den sich ablösenden vibratoreichen Soli und den Duos, in denen die Melodielinien sich einander verzierend umspielen, in der Melodieführung ablösen und schließlich vereinigen. Beschwingt und tänzerisch erklingt Bechets „Les Oignons“ mit den harten Breaks, Christian Azzi schlägt in dem Up-Tempo-Stück „Spreading Joy“ ein rasantes, perlendes Piano-Solo aus den Tasten, Trevor Richards nutzt die Gelegenheit für ein kraftvolles Schlagzeug-Solo, bevor die beiden Bläser zu einem stakkatohaften Duett ansetzen.
Richards ist einer der seltenen melodischen Schlagzeuger, die noch heute im traditionellen Jazz von New Orleans verwurzelt sind und einer der „leisesten“ zugleich. Unbeirrt hält er in den Soli das Metrum, ist stets präzise in „Time“. Amüsant ist es zu sehen, wie mühelos Richards plötzlich ein paar Takte lang ein Double-Time-Wirbel mit den Stöcken auf dem Holzbrett über die durchlaufende Fußarbeit legt.
Christian Azzi hat dereinst selbst in den Bands von Bechet am Piano gesessen und gilt zu Recht als Virtuose des Harlem-Stride-Stils mit dem ständigen Wechsel der linken Hand zwischen rollenden Bassfiguren und Akkordreihen. Sein Solo-Stück „Catalina Rag” hat er stilgerecht geschrieben und gespielt. In der Begleitung dominieren die Bass-Ostinati der Linken zu den melodischen Läufen der Rechten – wie auch in seiner Solo-Version von Gershwins „Liza“.
Es gibt eben qualitative Unterschiede in der Wiederaufarbeitung des traditionellen Jazz, Möglichkeiten, ihn vor musealer Totenstarre zu bewahren, sagt Reimer von Essen zu Recht. Das Publikum genoss diese zeitgemäße Interpretation der Bechet-Kompositionen und erzwang mit stehenden Ovationen mehrere Zugaben.