Als zum Schluss des Konzerts ein Titel von Billie Holiday angekündigt wurde, hätte man mit „Don’t explain“ rechnen können, einem Song, den Heinz Sauer seit Jahrzehnten interpretiert. Es war letztlich „God bless the child“, und damit einer der wenigen Holiday-Songs, an dem die Sängerin als Komponistin beteiligt gewesen sein soll. Es war ein würdiger Abschluss des, vom Jazzarchitekten im Rudersport Wiesbaden veranstalteten, Konzerts: Beide Musiker – Uwe Oberg am Piano und Heinz Sauer am Tenorsaxophon – wissen die Wurzeln des Jazz zu schätzen.
Billie Holiday begleitet Sauers Musik als guter Geist und Inspiration seit Jahrzehnten, und die raue und brüchige Stimme der Autodidaktin findet sich in seinem Saxophonspiel wieder. Auch Sauer ist ein kompromissloser Individualist mit einem ganz eigenen Sound und unverkennbarer Phrasierung. Sein Ton ist noch etwas knorriger geworden, die tiefen Töne wirft er fast schon patzig in den Raum, das Überblasen bleibt gelegentlich im mittleren Register stecken. Das Ringen mit dem Instrument wird für den fast 83-jährige Sauer hörbar nicht einfacher. Sein Klang wird damit nur noch eindringlicher.
Wenn Sauer mit Oberg Thelonious Monk – und der ist Obergs „guter Geist“ – interpretiert, dann werden von ihm die kantigen Themen noch einmal reduziert, während Oberg eher den lyrischen Gegenpart gibt. Uwe Oberg versteht es meisterlich, die starken Monkschen Themen aufzunehmen, zu umspielen und zu erweitern und damit die Spielräume und das Spielmaterial für Sauer zu schaffen. Was mit Jazzklassikern ganz unbeschwert funktioniert, könnte mit dem freien Material von Oberg vermeintlich schwieriger sein. Tatsächlich wird im Duospiel der Dialog noch intensiver. Das Aufeinanderhören und –eingehen bruchloser, das Zusammenspiel noch aufmerksamer. Dieses Konzert war ein ganz wunderbares künstlerisches Ereignis, dank der Ausdruckskraft zweier Ausnahmemusiker.