„Für mich gibt es nur Chopin”
Der Pianist Andrzej Jagodzinksi, geboren 1953, studierte an der Warschauer „Akademii Muzycznej im. F. Chopina“ im Hauptfach Horn. Sein Name steht inzwischen für verjazzten Chopin. Ihm folgten in Polen andere swingende Tastenkünstler nach: Krzysztof Herdzin, Leszek Mozdzer, Leszek Kulakowski.
Vor einem Auftritt im Warschauer Jazzclub „Tygmont“ Mitte März wollte ich von Andrzej Jagodzinski mehr wissen über seine Beziehungen zu dem polnischen Nationalkomponisten, dessen Geburtstag sich 2010 zum 200. Male jährt.
Hans Kumpf: Eingangsfrage: Wann wurde Frédéric Chopin geboren?
Andrzej Jagodzinski: Am 1. März 1810!
Ich stellte die Frage, weil auch der 22. Februar genannt wird.
Chopin bekundete, er sei am 1. März geboren worden.
Das ist also ein Problem mit dem Geburtstag wie bei Louis Armstrong… Als ich hier in Warschau am 22. Februar war, hörte ich im 3. Programm von Polskie Radio Dich mit einem Chopin-Jazz-Konzert. Drei Tage später besuchte ich das in der Heiligkreuzkirche beigesetzte Chopin-Herz und sah dort frische Blumen – zum 199. Geburtstag, niedergelegt vom Chopin-Institut und der Stadtregierung. Aber das 2. Hörfunkprogramm feierte Frédéric Chopin dann ausgiebig am 1. März.
Am 1. März spielten wir dann in Poznan!
Was wirst Du im nächsten Jahr tun, wenn man groß seinen 200. Geburtstag begeht?
Ich plane, nach Paris zu reisen – da trete ich am 5. März auf.
Wirst Du 2010 vermehrt Chopin-Jazz-Konzerte geben?
Das hoffe ich! Einige Angebote haben wir schon. Schön wäre es, wenn noch weitere Auftritte hinzukämen.
Es stimmt doch, dass Du der erste warst mit einer CD ausschließlich mit Chopin-Jazz – bei „Polonia Records“?
Ja, 1994, vor 16 Jahren nahmen wir die erste polnische Platte mit Chopin-Jazz auf.
Wie viele Platten mit Chopin-Jazz hast Du insgesamt herausgebracht? Vier oder fünf?
Wir machten danach mit dem gleichen Programm „Live At The National Philharmonic“, 1999 machten wir…
….„Chopin Once More“….
…die in veränderter Fassung noch auf einem französischen Label erschien. Vor einem Monat kam die vierte Scheibe heraus, die „Sonata b-moll“. Ein neues Programm, ein neuer Sound von „Chopin in Jazz“, denke ich.
Hattest Du selbst die Idee oder der „Polonia Records“-Produzent Stanislaw Sobola, eine CD mit verjazztem Chopin aufzunehmen?
Er hatte die Idee, Chopin im Original von polnischen Jazzpianisten interpretieren zu lassen. Keith Jarrett hatte nämlich „Das Wohltemperierte Klavier“ von Johann Sebastian Bach eingespielt. Ich bin nicht unbedingt geeignet, Chopin ganz rein zu spielen, da ich eigentlich kein Pianist bin…
— Du bist Waldhornist!…
Ja, ich studierte Horn. Ich bereitete das Programm bei dieser ersten Platte „Chopin“ jazzmusikalisch auf. Niemand sonst zuvor hatte so etwas bewerkstelligt. Ich sagte Sobola, dass Ich Chopin nicht im Original wiedergeben könne, aber auf auf eine andere Art und Weise. Er war damit einverstanden.
Ich erinnere mich noch, wie in meiner Jugendzeit „Play Bach“ aufkam, 1965 war ein Auftritt von Jacques Loussier das erste große Jazzkonzert meines Lebens. War Dir „Play Bach“ ein Begriff?
Natürlich kannte ich seine Platten von Loussier, ich liebe sie. Live habe ich ihn allerdings nie gehört. Er geht anders vor als ich. Er hält sich sehr an das Original von Bach, ich spiele mehr Jazz.
Ich weiß, dass es für die Klassik-Welt ein Problem war, als vor jetzt genau 50 Jahren Jacques Loussier auf einmal Bach verjazzte. Hattest Du in Polen Schwierigkeiten, als Du Chopin mit Jazz kombiniertest?
Nein. Ich hatte Probleme nur mit mir selbst. Ich wusste nicht, was die Leute davon halten würden. Da gab es keine negativen Reaktionen. Ich glaube, wie ich es mache, ist es in Ordnung.
Gab es in Polen bereits eine Veranstaltung, in der verschiedene Jazz-Pianisten Chopin spielten?
Nur mit Leszek Mozdzer. Ich weiß jetzt nicht, wer die Idee dazu hatte. Drei Mal Chopin – einmal klassisch, dann Mozdzer und schließlich mein Trio mit dem Bassisten Adam Cegielsi und dem Schlagzeuger Czeslaw Bartkowski. Mozdzer wurde als aktueller, zeitgenössischer Musiker ausgewählt. Der sehr bekannte Pianist Janusz Olejniczak spielte den originalen Chopin.
Hast Du bereits auch die Verbindung von Chopin und Jazz im Ausland präsentiert?
Wir konzertierten damit schon in der ganzen Welt Südamerika, Nordamerika, Japan, Europa…
Auch in Deutschland?
Unglücklicherweise spiele ich in Deutschland sehr selten. Da trat ich nur bei einem Klassik-Festival in Bremen auf. Vor acht Jahren war dies, glaube ich.
Du spieltest auch mal beim Nürnberger Festival „Jazz Ost West“. Hast Du noch das genaue Jahr im Kopf?
Wohl vor zwanzig Jahren. Das war zusammen mit dem polnischen Tenoristen Janusz Muniak.
Welche anderen Komponisten der Klassischen Musik magst Du noch?
Ich schätze alle – von Palestrina bis Penderecki. Sie vermitteln mir nämlich viel Energie.
Hast Du bereits andere Klassik-Komponisten verjazzt?
Bis jetzt noch nicht.
Hast Du Pläne dafür?
Ich denke nicht, dass sich das tun werde. Ich plane da nichts.
Du hast Dich also auf Frédéric Chopin spezialisiert. Was behagt Dir an ihm besonders?
Weißt Du, das ist die Musik, mit der ich verwurzelt bin. Ich lebte dort, wo auch Chopin lebte. Ich war oft und lange in dem Gebäude, wo er seine Musikausbildung erhielt. Es musste eben Chopin sein, etwas anderes gab es für mich nicht.
(März 2009)