Das Programmheft von Enjoy Jazz scheint noch etwas umfangreicher geworden zu sein, die Unterstützer und Politiker aus der Region blickten zum größten Teil dem Festival enthusiastisch entgegen. Frau Heyl, vom – neben SAS – zweiten Hauptsponsor und Partner BASF, brachte die Essenz des Festivals charmant mit Vergleichen aus der Chemie auf den Punkt: Verbindungen, die sich ergeben und die Entstehung von Neuem aus der Kombinationen verschiedener Elemente. Ein Bild, das der „gelernte“ Chemiker und Festivalchef Rainer Kern gern aufnahm.
Typisch für Enjoy Jazz war schon immer, dass die Programmschwerpunkte nicht vorgeben sind, sondern sich im Wesentlichen aus der Masse des Verfügbaren ergeben. Bei rund 80 Veranstaltungen ergeben sich gewisse Schwerpunkte, so man sie denn sehen will. In diesem Jahr scheint einer davon eine stärkere multikulturelle Ausrichtung zu sein. Die Zusammenarbeit mit der erfolgreichen orientalischen Musikakademie in Mannheim ist dafür ein Beispiel, das Engagement der türkischen Band Ilhan Ersahin’s Wonderland und die Zusammenarbeit mit dem Türk Filmfestival mit der Vorführung eine Films „Jazz in Turkey“ ein anderes. Ein erfreulicher Ansatz und vielleicht auch ein Schritt dazu, die türkische Community Mannheims zum Festival zu locken. Eine gewisse Triolastigkeit lässt sich heraus lesen und eine eher unbekannte Variante des Jazz, „Dark Jazz“ soll den geneigten Hörern näher gebracht werden.
Neben großen Namen (Garbarek & The Hilliard Ensemble, The Bad Plus, Branford Marsalis, Trilok Gurtu, Rebekka Bakken und Stefano Bollani) finden sich – eine weitere Konstante des Festivals – die „guten alten Bekannten“ der Veranstaltung wieder. Michael Wollny, letztjähriger Artist-in-Residence ist wieder mit dabei, Nik Bärtsch bei einem besonderen Konzert im EMBL (vierstündig, „begehbar“), Erwin Ditzner mit seiner Carte Blanche (in diesem Jahr mit der in New York lebenden Saxophonistin Ingrid Laubrock und Sebastian Gramss), die – wenn auch nicht explizit erwähnte aber doch offensichtliche – Verbindung zum Label Jazz’n’Arts, mit verschiedenen Konzerten von Künstlern aus der Region. Auch das ein gewisser Schwerpunkt: die Sichtbarkeit der regionalen Jazzszene, die sich in verschiedenen Konzerten widerspiegelt: neben dem erwähnten Herrn Ditzner mit u.a. Alexandra Lehmler, die sich ein besonderes Programm zusammenstellen konnte, mit französischen und spanischen Musikern. Thomas Siffling & Claus Boesser-Ferrari sind wieder mit dabei und der Pianist Daniel Prandl. Einem „ganzen Haufen“ lokaler Musiker kann man beim Jubiläumskonzert – „20 Jahre Jazz und Popularmusik der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim“ lauschen.
Nicht vergessen darf man in dieser Aufzählung die Schlagzeug-Ikone Mani Neumeier, der sich den Krautrock gelegentlich gern abstreift und in einem Solokonzert im Zephyr / Reiss-Engelhorn Museum seine jazzgrundierte Weltmusik solo präsentieren wird. Dieser Veranstaltungsort markiert auch eine neue Kooperation mit dem Raum für Fotografie, denn zeitgleich mit dem Festival findet dort eine Ausstellung mit Musikfotografien von Norman Seeff statt.
Mit EMBL und Zephyr gibt es neue Partner, andere der Vorjahre sind diesmal nicht mehr mit von der Partie und generell scheint eine gewisse Konzentration auf die „Kernhäuser“ der Festivals stattzufinden: Karlstorbahnhof (HD), Alte Feuerwache (MA), DasHaus (LU). Die „Verästelungen“ in die Region (Lobenfeld, Ladenburg, Sinsheim…) fallen in diesem Jahr weg. Ob das auch mit der offensichtlich knapperen finanziellen Ausstattung des Festivals zu tun hat – die ausgelaufene EU-Förderung spielt hier eine beträchtliche Rolle – oder eine neue strategische Ausrichtung des Festivals festzustellen ist?
Klar ist, dass der Wegfall der EU-Föerderung zumindest zu schmerzhaften Einschnitten beim Personal geführt hat und die üppigen Sonderreihen der vergangenen Jahre beschnitten wurden. Und wenn Rainer Kern von einem Anzeigen-Etat von 2.000 Euro für das Festival spricht, kann man sich fragen, wie sicher das Fundament des Festivals, zumindest in dieser Größenordnung, ist. Offensichtlich genug für ein nach wie vor üppiges Programm, das aber auch durch die besondere Konstruktion der Veranstaltung der Konzerte durch die einzelnen Häuser gesichert scheint. Und wenn sich Hauptsponsor SAS nicht nur für die kommenden zwei Jahre zur weiteren Unterstützung von Enjoy Jazz verpflichtet hat, sondern darüber hinaus, wie in einer Meldung nach der Presskonferenz nachgereicht wurde, zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt, dann muss man zumindest wohl kurzfristig nicht mit unlösbaren Problemen rechnen.
Das breit gefächerte musikalische Programm zeigt sich schon mit dem Eröffnungskonzert von Lisa Simone. Eine interessante Entscheidung, hat man in der Jazzszene von Ninas Tochter bislang doch noch nicht allzu viel gehört. Vielleicht macht Enjoy Jazz aber auch hier eine Entdeckung, wie sie mit dem griechischen Piano-Virtuosen Nikolas Anadolis bereits gelungen ist. Der tritt auch dieses Jahr wieder im Karlstorbahnhof auf. Aus „Jazzsicht“ darf man sich auf weitere vielversprechende Konzerte freuen. Sebastian Gramss kommt mit (s)einer Bassmasse, bringt zwölf weitere Bassisten mit auf die Bühne der Alten Feuerwache in Mannheim und erweist dem Bassisten Stefano Scodanibbio die Ehre. Das Pablo Held Trio spielt in DasHaus in Ludwigshafen sein SWR-Preisträger Konzert. Schon auf dem Papier eine tolle Besetzung: das Trio Omar Sosa, Paolo Fresu und Trilok Gurtu. Ganz allein zu hören und schon erwähnt: Stefano Bollani solo, dafür ein Doppelkonzert mit den Doppelsiegern des Neuen Deutschen Jazzpreis das Duo Sternal/Valk und Tria Lingvo, die in der Alten Feuerwache zu hören sein werden.
In der Fülle der weiteren Konzerte stechen hervor: das Tord Gustavsen Quartet, das Branford Marsalis Quartet und The Bad Plus, die ihre Sacre-Bearbeitung präsentieren werden – alles Musiker und Bands, deren Entwicklung man über die Jahre schon bei Enjoy Jazz verfolgen konnte. Dass am Ende die sechs Festivalwochen nicht ausreichen, um alle Konzerte einzufangen, zeigen die zwei „Enjoy Jazz Encore“ Veranstaltungen. Am 17. November gibt es ein Zusatzkonzert von Jan Garbarek mit dem Hilliard Ensemble – die letzte Gelegenheit diese Formation in Deutschland zu hören! Und am 1.12. ist Gregory Porter im Capitol in Mannheim zu hören, mit einem „special guest“, der so geheim ist, dass er auf der Pressekonferenz noch nicht verraten werden konnte.
Vielleicht kann das Geheimnis am 15. September gelüftet werden. Dann ist Festivalleiter Rainer Kern von 21 bis 23 Uhr live im Bermudafunk in der Sendung Jazzology zu Gast und wird einen musikalischen Ausblick auf die 16. Ausgabe von Enjoy Jazz geben. Der Bermudafunk, das Freie Radio Rhein-Neckar, wird außer mit gelegentlichen Beiträgen in der montäglichen Sendung Jazzology auch in den Sendungen Kultur Purpur (15.09./20 Uhr), Alles ist möglich (3.10./22 Uhr, 06.10./22 Uhr), bermuda.music (17.10./13 Uhr) über das Festival berichten.
(fs)