Kräftig swingend im sakralen Raum
Der von Maria Skrodsky angeführte Kulturkreis Vellberg (Landkreis Schwäbisch Hall) organisierte für seine aktiven Mitglieder und willkommenen Gäste bislang beispielsweise klassische Konzerte, Literaturabende, Vorträge, Wanderungen, Atelierbesuche, Radtouren, Städtereisen, Lesungen und Museumsbesuche. Premiere hatte nun ein Jazzabend in der Martinskirche auf der Stöckenburg. Eingeladen wurde hierzu Johannes Reinhuber, der seine ersten sechs Kindheitsjahre in Vellberg verbrachte. Aus seiner neuen Wahlheimat Mannheim brachte der Saxophonist weitere vier Instrumentalisten mit, die ebenfalls in der Quadrate-Stadt studierten und wohnen.
In seinem Quintett spielte nun in der „front line“ der Trompeter Janis Hug, der lippenstark mit knallharten Staccati aufwartete und mit stechend-strahlendem Ton brillierte. An George Shearings prallen Blockakkorden orientierte sich auf dem mitgebrachten E-Piano Konrad Hinsken und integrierte in seine Soli auch kontrapunktische Linien. Hinsken siegte 2008 mit dem Offenburger Ensemble „Froots“ beim baden-württembergischen Wettbewerb „Jugend jazzt“ und hat sich inzwischen zu einem wahren Profi gemausert.
Der Ehemann von Baden-Württembergs Landesjazzpreisträgerin des Jahres 2014, Alexandra Lehmler, stand in Vellberg am Kontrabass: Matthias Debus. Meistens zupfte er den Tieftöner, doch dann ließ er auch den Sound seines legendären Kollegen Slam Stewart aufleben – mit dem Bogen gestrichene Saiten und dazu unisono eine Oktave höher mitgesungene Melodie. Tosender Szenen-Applaus im gediegenen Gotteshaus dafür. Differenziert zu Werke ging an den Drums Christian Huber.
Johannes „Joe“ Reinhuber verheimlichte in seiner Spiel-Art und Titel-Auswahl nicht, dass in punkto Tenorsaxophon sein Vorbild der große Joe Henderson ist. In handfest zupackender Hard-Bop-Manier interpretierte er mit seiner Gruppe gleich drei Kompositionen des Afroamerikaners: „Jinrikisha“, „Out of The Night“ und „Mamcita“. Und das rhythmisch muntere Stück „Recado Bossa Nova“ konnte Reinhuber wirklich authentisch angehen, absolvierte er doch in Brasilien einen längeren Studienaufenthalt.
Im Altarraum der altehrwürdigen Martinskirche erklang Modern Jazz im geradezu historischen Stil der 1950er und 1960er Jahre. Die neu zusammen gefundene „Jazzgemeinde“ sollte nicht erschreckt werden, meinte Reinhuber. Nur eine einzige Eigenkomposition von ihm gelangte zur Aufführung: „Haze“. Die Nummer im getragenen Sechsachteltakt wartet mit vielen Motivvariationen auf und hinterlässt einen beseelten Eindruck – besonders passend für einen sakralen Raum. Reinhubers Credo lautet schließlich: „Der Jazz ist die Sprache der Seele“.
Johannes Reinhuber vermochte das vielfach wenig jazzerfahrene Publikum in der 1275 Jahre alten Martinskirche von seiner Musik zu überzeugen. 1987 wurde „Joe“ im Haller Diakonie-Krankenhaus geboren, und in seiner Geburtsstadt Schwäbisch Hall begann auch seine swingende Karriere. Dies war zunächst die von Armin Scheibeck geleitete städtische Big Band. Einen großen Erfolg bedeutete dann seine Aufnahme in das von Bernd Konrad geleitete Jugendjazzorchester Baden-Württemberg. Die Verbindung zur Salzsiedermetropole sollte nie abbrechen – immer wieder war der versierte Saxophonist auf der Großen Treppe bei musikalischen Produktionen der Freilichtspiele zu hören.