Text und Photos: Hans Kumpf
Wohlklang und Geräusche – aber ganz leise
Mit einer unglaublichen Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit verband das eidgenössische Colin-Vallon-Trio bei seinem jüngsten Auftritt in der Hospitalkirche angenehm Ohrengefälliges mit subtiler Geräuschhaftigkeit. Zwei Zugaben krönten das vom Jazzclub und Kulturbüro verantwortete Konzert.
Schwäbisch Hall. Zuletzt gastierte Colin Villon mit seinem Trio Mitte Mai 2011 beim Haller Jazzclub. Saß damals Samuel Rohrer am Schlagzeug, so fungiert jetzt Julian Sartorius als Drummer. Geblieben ist Patrice Moret am Kontrabass. Symptomatisch an der sehr interaktiven Musik waren vor drei Jahren schon folkloristische Formeln, klare Skalenbezogenheit ohne Funktionsharmonik, ostinate Figuren und Riffs sowie minimalistische Patterns. Zeitgemäßes vereinte sich da mit historischen Bezügen, wenn in der Manier mittelalterlicher Madrigale musiziert wurde. Der 1980 in Lausanne geborene Vallon verfremdete zudem gerne die Flügelklänge mit vielerlei Materialien.
Auch heuer hätte das Publikum wohl gerne einen Blick in das Innere des edlen Steinways erhascht, um zu sehen, mit welchem kunstvollen Krimskrams Colin Vallon gerade die Saiten massiv manipuliert – sei es ein Sinusschwingungen provozierendes Elektrogerät, diverse Holzstückchen, herkömmliche Filsschlägel oder ein schlichter Stofflappen. Brauchte der experimentierfreudige Tastenmann David Tudor des amerikanischen Avantgarde-Komponisten John Cage einst geraume Zeit, bis er endlich sein „prepared piano“ eingerichtet hatte, so gelingt Vallon die akustische Umwandlung in Windeseile. Es entstehen reizvolle Sounds, welche von dissonierenden Klangbändern bis zu einem balinesischen Gamelan-Orchester reichen.
Nicht minder differenziert und dezent agieren die beiden Partner von Colin Vallon. Da zupft Patrice Moret geräuschhaft wiederholt am Steg des Kontrabasses und reibt gefühlvoll die dicken Saiten. Julian Sartorius kommt zunächst mit einem spartanisch bestückten konventionellen Drumset aus, traktiert die Felle und das Metall mitunter aber mit exotischen Sticks oder mit einer langen Blechdose. Auf chinesischen Klangschalen entwickelt er meditative Dauertöne und bearbeitet mal eine riesige Triangel. Ein Schlagzeug muss eben nicht zu einer „Schießbude“ verkommen. Beim Soundcheck hantierte Sartorius noch auf einem Banjo, beim eigentlichen Konzert verzichtete der Schlagwerker jedoch auf den sonoren Viersaiter.
Zwischenapplaus erheischende virtuose Solokadenzen sind bei dem Schweizer Ensemble strengstens verpönt, es zählt das kollektiv kreierte Musikprodukt, wobei man völlig ohne Notenmaterial auskommt. Oft sind bei den Kompositionen die Finalpassagen konzipiert, die wiederholt ganz abrupt enden. Zwischen betulichem Wohlklang, rockigen Rhythmen und filigraner Geräuschhaftigkeit tut sich ein abgerundeter Spannungsbogen auf. Und dies alles meist sehr leise und langsam.