Daniel Stickan und Uwe Steinmetz konzertierten in Halls Michaelskirche

Waves, Stickan, Steinmetz - Foto: Kumpf

Text und Fotografien: Hans Kumpf

 Pfeifenorgel mit Saxophon fromm vereint

Als im Jahre 757 im Aachener Dom erstmals eine Orgel erklang, sollen etliche Gemeindemitglieder vor lauter Schreck in Ohnmacht gefallen sein. Heutzutage gehört die Königin der Instrumente längst zum beständigen Inventar der Gotteshäuser – und ein Saxophon im klerikalen Raum regt heutzutage auch niemanden mehr auf. In der Stiftskirche St. Nikolaus der Großcomburg verjazzten allsommerlich der Sopran- und Tenorsaxophonist Uwe Kammerer und der Organist Wolfgang Schröter mit Bedacht und Inbrunst alte Weisen, und in der Haller Michaelskirche spielte schon mehrmals der Stuttgarter Saxophonist Ekkehard Rössle zusammen mit Kurt Enßle. Jetzt lud Kantor Enßle ein anderes „Bläser-Duo“ ein – schließlich ist ja die Pfeifenorgel im Grunde ja auch ein Blasinstrument, das freilich mit Klaviaturen mehrmanualig bedient wird.

„Waves“ („Wellen“) nennt sich die Kleinformation des 1975 in Bremerhaven geborenen Saxophonisten Uwe Steinmetz und des Organisten Daniel Stickan (*1980, Göttingen). Beide können auf profunde Jazzer als Lehrer verweisen  – Steinmetz beispielsweise auf Benny Golson, Michael Brecker und Dave Liebman, Daniel Stickan auf Dieter Glawischnig und Bobo Stenson.

Freilich: Die Kirchenorgel ist ein schwer „beswingbares“ Instrument, da es doch eine geraume Zeit dauert, bis nach dem Tastendruck der Ton in der Pfeife richtig anspricht und somit schnelle präzise Rhythmen verunmöglicht werden. Aber schließlich ließen sich schon viele exzellente Jazzmusiker auf der Kirchenorgelbank nieder – angefangen von Fats Waller über George Gruntz und Hans-Günther Wauer bis zu Barbara Dennerlein und Jasper van’t Hof.

Dieses Duo stützt sich allerdings auf viel Notenmaterial, vorwiegend aus eigener Feder. Bei „Mondwald“ zaubert Uwe Steinmetz eine friedliche Naturidylle von Fauna und Flora, bevor er auf dem Sopransaxophon den Choral „Der Mond ist aufgegangen“ intoniert. Die Orgel unterlegt das bekannte Abendlied (nach den Worten von Matthias Claudius) schließlich mit neuer Harmonisierung. Fragend und ziemlich abrupt endet die Komposition „Mondnacht“.

Bei seiner Komposition „L’ évocation des oiseaux“ lässt Organist Stickan – geschickt registriert – nach tiefem Gewabere und hellen Prinzipaltönen das Sopran zunächst eine Amsel imitieren, ehe wiederholt kurz das dreivierteltaktige „My Favorite Things“ und Ravels „Bolero“ zitiert wird. In diesem Stück wechselt Steinmetz zum Altsaxophon, bläst zunächst im Kontrast zur „aufgewühlten“ Orgel ruhige Tonfolgen, um dann in eben nicht reinliche „dirty tones“ überzuleiten.

Weitgehend insgesamt doch eine „easy listening music“ im der Michaelskirche, erst recht bei zwei Songs des schwermütigen Briten Nick Drake (1948-1974). Daniel Stickan vermochte aber auch klangprächtig alle Register zu ziehen, und Uwe Steinmetz ließ zuweilen freejazzartige „sheets of sounds“ („Klangströme“) fließen. Sicherlich ein ganz besonderes Hörerlebnis für etliche Besucher, die im Kirchenschiff mit dem Rücken zur Musik saßen.

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