Christof Thewes mit Quartetto Pazzo in Mainz, 6. September 2010


Foto: Klaus Mümpfer

Der Titel „Schneller als je“ hält, was er verspricht. Rasende Klangkaskaden entströmen der Posaune und der Bassklarinette. „Auf der Schnerr“ (Kirmes) basiert -wie die Komposition erahnen lässt – hintergründig auf Motiven der Jahrmarktsmusik. Doch der Posaunist Christof Thewes ist ein Meister der Collage und so verfremdet und versetzt er Traditionen und lässt sie lediglich in kurzen Zitaten aufblitzen. Beim Konzert seines „Quartetto Pazzo“ im Mainzer Atelier Schauder stehen ihm dabei der Berliner Bassklarinettist Rudi Mahall („Der Rote Bereich“), der Kölner Schlagzeuger Dirk Peter Kölsch („Underkarl“) und der New Yorker Cellist Tomas Ulrich als kongeniale und ebenso virtuose Partner zur Seite. 

Die Musik des Quartetts verschmilzt Freejazz und Punkrock, Neue Musik und Jazztradition mit erfrischender Unbekümmertheit und vor allem immer mit tiefgründigem Humor, der sowohl dem Saarländer Thewes als auch dem Berliner Mahall zueigen ist. Kein Wunder, dass Stücke Titel tragen wie „Eine problematische, weil eingebildete Taube auf dem Dach“. In rasendem Schnattern und Schnaufen umspielen sich in „4 Migge“ Posaune und die Bassklarinette, umranken einander „melodisch“, während das Cello unter dem Borgen ächzt und kreischt wie schon zuvor in „Auf der Schnerr“. Sirenen assoziiert ein Zwiegespräch von Ulrich und Mahall, dem eine kurze Unisono-Passage von Posaune und Bassklarinette folgt, während auf dem Fell von Kölschs Trommel ein Kinderkreisel rotiert. Mahall lässt sein Instrument im Solo gurgeln und zur Percussion keuchen. Thewes fasziniert mit einem mehrstimmigen Solo mit Obertönen, bevor das Quartett auf das Thema zurückkommt.

In dem mitreißenden Konzert stehen getragene Passagen wie in „Schmach Schach“, ein geradezu der Klassik entlehntes Solo auf dem Cello, der Bebop-Tradition verpflichtete Läufe auf der Posaune und der Bassklarinette neben orgiastischen und hochenergetischen Free-Explosionen in Duos und Kollektiven. Hymnische Klänge mit trügerischem Wohlklang werden zerfasert und harmonisch aufgelöst. In einem Satz einer musikalisch-parodistischen Bearbeitung des SiFi-Thrillers „Snake“ zupft Ulrich das Cello harmonisch mit zahlreichen überraschenden Wendungen, um es später in bester Tradition wie einen Kontrabass „marschieren“ zu lassen. Kölsch wiederum ergänzt seine Percussion mal mit einer Maultrommel, dann wieder mit einer Mini-Trompete. Er spielte bereits in der Formation „Underkarl“ des Bassisten Sebastian Gramss, die mit „20 Century Jazz Cover“ 1996 in der ekstatischen Soundcollage eine Voreiterrolle übernommen hatte. Mit seiner undogmatischen Symbiose von notiertem Spiel und freien Improvisation, mit den hochenergetischen Soundorgien in einem dennoch strukturierten Chaos ist das Quartetto Pazzo derzeit auf einem Gipfelpunkt. Davon zeugt auch die CD „Melancholera“, von der die meister Stücke des Abends stammen.

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