Lillian Boutté und die Barrelhouse Jazzband in Nieder-Olm
Es war 1987, als die junge Sängerin Lillian Boutté in Lawalls Scheune im rheinhessischen Wörrstadt mit dem Klarinettisten Reimer von Essen auf der Bühne stand und im Duett kraftvoll ihre Stimme ertönen ließ. 27 Jahre später lässt sich die 65-jährige Vokalistin aus New Orleans erneut von der Barrelhouse Jazzband bei deren „Gala 2014“ in der Nieder-Olmer Ludwig- Eckes-Halle begleiten. Beim Spiritual „His eye is on the sparrow“ rundet Reimer von Essen mit einem sensiblen Klarinetten-Solo die leidenschaftiche und inbrünstige Interpretation der „Botschafterin aus New-Orleans“ ab. Es ist erstaunlich, zu welcher Kraft und Eindringlichkeit die zierliche Person mit ihrer weit tragenden Stimme fähig ist. Boutté, die im teuflischen Blues ebenso zuhause ist wie im göttlichen Gospel, ist nach dem bewegenden geistlichen Lied in Tränen aufgelöst, so dass ihr eine dankbare Zuhörerin ein Taschentuch reicht. Zuvor hatte der Gast aus der Heimatstadt des Jazz mit leichter Brüchigkeit und verhalten aufgeraut das getragene „I´m so blue“ sowie die swingenden Klassiker „Old fashioned love“ und „Everybody loves my baby“ interpretiert.
In früheren Jahre habe die damals relativ junge Barrelhouse Jazzband die alten Legenden aus New Orleans kenntnisreich begleitet, erinnert sich Dieter Nentwig, der die erfolgreiche Formation seit 1971 betreut. Bei der Jazz-Gala 2014 sind es die nun an Jahren gereiften Frankfurter Musiker, die die jungen Bewahrer des traditionellen Jazz aus New Orleans unterstützen. Aus der Feder des 1969 geborenen Klarinettisten Evan Christopher stammt der beseelte “Waltz for all souls“ im Drei-Viertel-Takt mit der Eindringlichkeit und Tonfarbe, wie einst Sidney Bechet spielte. Sein geschmeidiges Spiel verrät Eleganz und Virtuosität. Von Bechet stammt auch die Komposition „Blues in the air“ mit dem der Klarinettist Christopher, der Trompeter Duke Heitger und der Posaunist Michael Watson ihren Set eröffnen. Heitger, der auf dem Mississippi-Dampfer seine „Steamboat Stompers“ leitet, besticht mit einem kraftvollen und gleißenden Trompetenton. Er hat die Stilistik von Louis Amstrong bis Rudy Braff zu einem eigenen Personalsound entwickelt. Watson bläst sein Instrument mit weichem, in „Blues in my heart“ mit dunkel growlendem Spiel und reichlich Vibrato sowie in„ Dinah“ mit rasend schnellen Läufen. Er ist mit seiner Power in der Tradition der Marching Bands verwurzelt.
Sichere und stützende Begleiter der Youngsters aus New Orleans ist die Rhythmusgruppe der Barrelhouse Jazzband mit dem fein ziselierenden und filigran zupfenden Gitarristen Roman Klöcker, der bei der Fats- Waller-Komposition „I´m crazy about my baby“ zum Banjo greift, dem vielseitigen Pianisten Christof Sänger, der neben fließenden und perlenden Läufen auch sperrige kreolische Rhythmen wie bei „Martinique“ aus den Tasten hämmert, die in der Slap-Technik virtuose Kontrabassistin Lindy Huppertsberg und der schlagsichere Drummer Michael Ehret.
Begonnen hat das Gala-Konzert mit einem Set, in dem die Barrelhouse Band dem begeisterten Publikum beweist, dass sie zu Recht als beste europäische Formation des traditionellen Jazz von New Orleans bis Swing gilt. Seit mehr als 60 Jahren pflegt die Formation dieses Genre, ist sich stets treu geblieben und klingt noch immer frisch und lebendig. Das faszinierte Publikum bedenkt jedes Solo und beim mitreißenden Finale die Musiker insgesamt mit stürmischem sowie anhaltendem Applaus.