Fotos und Text: Klaus Mümpfer
Sebastian Sternal verkriecht sich selbst dann nicht im Flügel, wenn er in lyrischen Passagen den schwebenden Tönen nachlauscht. Sternal ist ein extrovertierter Pianist, obwohl er in seiner Grundhaltung eher dem verspielten und klassischen Spiel zuneigt. So beginnt er sein Antrittskonzert als Professor für Jazzklavier an der Musikhochschule Mainz mit einem Solo, das von Lyrismen und Klassik gleichermaßen geprägt wird. Dass er dennoch immer wieder die Kraft findet, aus diesen fließenden Improvisationen auszubrechen und in ekstatischen Läufen gleichsam explodiert, aber auch Pausen zum Erklingen bringt zeichnet ihn aus.
Dann fällt es dem Zuhörer schwer, zu entscheiden, was er mehr bewundern soll: die makellose virtuose Technik, mit der Sternal auch rasende Akkordschichtungen mit unglaublicher Leichtigkeit in die Tasten hämmert, oder die kreative Ideenfülle seiner Kompositionen, die im breiten Hauptstrom des Jazz klassische Romantik und französischen Leichtigkeit ebenso berühren, wie südafrikanische Folklore mit ihrer Lyrik und Hymnik.
Bestechend in Sternals Trio sind die sensiblen Interaktionen eines traumhaft sicheren Zusammenspiels, das in der hervorragend ausgesteuerten Tontechnik und transparentem Klangbild voll zur Geltung kommt. Der Komponist baut lange Spannungsbögen mit ostinaten Melodie- und Rhythmusfiguren, überlagert rollende Bässe und wuchtige Blockakkorde mit Melodielinien, produziert mit dem präzisen Schlagzeuger Axel Pape ein Soundgewitter, in dem Bassist Sebastian Klose mit straight gezupfter Basis der ruhende Pol bleibt. In seinen Soli brilliert er mit harmonischer Raffinesse und Melodiosität. Es sind diese nahtlosen Wechsel von lyrisch verhaltenen zu treibenden Up-Tempo-Passagen, die die Kompositionen Sternals aus seinen Einspielungen „ Eins“ und „Paris“ zu spannenden Werken werden lassen.
Mit seiner filigranen sowie blitzend aufbrechenden Artikulation ist dem Pianisten in „Chevreux“ der junge Klassik-Geiger Erik Schumann ein kongenialer Partner. Schumann ist kein Jazzmusiker, doch Sternal hat ihm für sein „Symphony Society“-Projekt den Part so geschrieben, dass er sich voll entfalten kann. Kein Wunder, dass beim anschließenden Small-Talk Wolfgang Diefenbach, der Leiter des hessischen Landesjugendjazzorchesters, Sternal spontan einen Kompositionsauftrag für die Bigband offerierte.
Der erst 28 Jahre junge Jazzprofessor Sebastian Sternal erhielt Klavierunterricht bereits mit sechs, entdeckte den Jazz im Alter von elf Jahren. Ab 2003 studierte er Jazzpiano in Köln und 2007 in Paris, spielte im Landesjugendjazzorchester Rheinland-Pfalz und im BuJazzO unter der Leitung von Peter Herbolzheimer. Seit 2009 lehrt er Jazz-Theorie in Köln und wurde im April dieses Jahres zusätzlich an die Musikhochschule in Mainz berufen.
Als Komponist wie als Pianist sei Sternal sei „ein phantastischer Erzähler auf dem Instrument“, lobte Jesse Milliner, der Prorektor der Hochschule den neuen Kollegen und Träger mehrerer Jazzpreise in seiner Einführung zum Antrittskonzert. Die Hochschule habe bewusst die Stelle ohne Instrument ausgeschrieben, um den Besten aus den Bewerbern auszuwählen, sagt Milliner.
Das Interesse war so groß, dass der Rote Saal der Hochschule die Zuhörer nicht fasste und das Konzert per Video in einen weiteren Saal übertragen werden musste.
Viele Jazz-Musiker wünschten sich sehnlichst, dass der Andrang bei „normalen“ Gigs ebenso überwältigend wäre.