Das Motto ist Programm: “Jazz today“ präsentiert in mehreren Doppelkonzerten den heutigen Jazz in einer personalen Ausprägung namhafter in- und ausländischer Künstler. In Mainz machten das Anke Helfrich Trio und der französische Schlagzeuger Manu Katché mit seinem Quintett „Playground“ Station.
Die Charakterisierung „the blonde Monk“ wird sie wohl nicht mehr los. Die Pianistin Anke Helfrich lässt in ihrem Spiel allerdings auch keine Zweifel aufkommen, welchen Einfluss der Tasten-Gigant Thelonious Monk auf ihr Spiel genommen hat. Schon die ersten sperrigen, verschleppenden Takte der Komposition „Movin´ in“ von ihrer CD „Better times ahead“ verrät trotz ihrer erstaunlichen Weiterentwicklung zu einem expessiveren und freieren und unverkennbaren Personalstil die Nähe zu Monk. Dass sie ihren Konzertteil mit seiner Komposition „Hackensack“ beschließt, spricht ebenfalls dafür. Ihre percussive Spielweise mit dem kraftvollen, aber stets nuancierten und dynamisch abgestuften Anschlag wird höchstens in Balladen zurückgenommen, wenn sie in „September Song“ mit Harmonium oder zarten Piano-Einwürfen den Bassisten Henning Sieverts bei einem harmonisch reizvollen und wendungsreichen Bass-Solo unterstützt oder wenn sie in „Sehnsucht“ den Cello-Part mit kurzen Single-Note-Ketten begleitet. Faszinierend ist in allen Stücken – von den Up-Tempo-Kompositionen bis zu den Balladen, das einfühlsame Schlagzeugspiel von Dejan Terzic, der unglaublich melodiös trommelt oder Glöckchen anschlägt, der die Kunst der leisen Percussion kultiviert, aber auch präzise und hart zuschlagen kann. In „Stormproof“, dem Titelstück ihrer neuen CD gibt es einen solchen explodierenden Drum-Einsatz und extreme Dynamiksprünge, bevor die Pianistin im Innern des Flügels in die Saiten greift, den Fender Rhodes und den Flügel gleichzeitig spielt. Ein anderes Power-Play Stück ist „Upper Westside“ mit einer wuchtigen Blickakkord-Intro und ebenso kraftvollem Schlagzeug-Spiel, während sie in einer balladesken Hommage an „Little Giant“ Johnny Griffin die Harmonievielfalt voll auskostet.
Lauter, rockender und dennoch konventioneller in der Jazz-Machart sind die Stücke, die der französische Drummer Manu Katché im zweiten Konzertteil mit seinem Quintett „Playground“ in Erinnerung an die gleichnamige CD präsentiert. Dort ist er mit einem sorgfältig abgestimmten Drumset und Percussion auf die teils melancholischen Soli des Trompeters Matthias Eick oder die Kaskaden des Pianisten eingegangen. Bei seinem Mainzer Auftritt zeigte er sich in glänzender Spiellaune, erlag aber zumindest teilweise der Versuchung, die Bläser Eick und Tore Brunberg am Tenor- und Sopran-Saxophon in Grund und Boden zu trommeln. Sensibler und flexibler blieb er dagegen in seinen Duos mit dem Pianisten Jason Rebello, der in rasenden Bebop-Läufen ebenso wie in schwelgerisch verklärten Linien brillierte. Rebello ist ein ungeheuer einfallsreiche Solist, der allerdings einen unverwechselbaren Personalstil noch entwickeln muss. Eick hingegen glänzt mit stählern geblasenen Stakkati in den hohen Lagen ebenso wie mit gehauchten und „atmenden“ Linien, die in vibratoloser Art an Chet Baker erinnern, aber eigenen Charakter besitzen. Die zweistimmigen Duos von Trompeter und Saxophon assoziieren hin und wieder an die Stimmungen von Jan Garbarek.
Katché liefert nicht umsonst Musikern des Pop, Rock und Jazz seit Jahrzehnten die rhythmische Basis. Er ist trommelt präzise in „time“. Da sitzt jeder Schlag bei den von ihm forcierten Akzenten auf dem Rand der Trommeln, aber auch in den artistischen Hochgeschwindigkeitswirbeln, wie er in einem ausgedehnten Solo vor dem Einstieg der Band beweist. Während Bassist Jérome Regard mit einem „straight“ gezupften Bass das Fundament stützt, trommelt Katché seine vielschichtigen Rhythmusfiguren über den ostinaten Riffs der Bläser.
Das Publikum feiert im voll besetzten Frankfurter Hof die Künstler frenetisch, als zum Finale die Katché-Truppe Anke Helfrich zu einer Session dazuholt.