Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Selbst in den expressivsten Phasen bleibt ein sonorer Ton im Hintergrund stehen. Kurze aufsteigende Variationen des Themas in „Half way throu“ und eine beeindruckende Interaktion mit dem Schlagzeuger Jonas Burgwinkel sowie immer wieder abrupte Tempowechsel wie in „I think, i know you“, kennzeichnen die unverwechselbaren Stücke des Tenorsaxophonisten Denis Gäbel, der mit seinem Quartett „Neon Sounds“ im Rüsselsheimer Kulturzentrum „Rind“ seine neue CD mit Eigenkompositionen vorstellt. Gäbels Solo-Partner ist neben dem Bassisten Martin Gjakonovski und dem Drummer Burgwinkel der Mailänder Tastenvirtuose Antonio Faraò.
Dem für sein technisch makelloses sowie ausdrucksstarkes Spiel geschätzte Pianist räumt Gäbel in seinen Kompositionen viel Raum ein. Speziell für die Fender-Rhodes-Klänge geschriebene Soli mit ausgedehnten Improvisationsmöglichkeiten wirken kraftvoll, quirlig und treibend. Sie ergänzen sich hervorragend mit dem energetischen Spiel des Saxophonisten. Faraò kombiniert in seinen Akkordschichtungen und in den perlenden Läufen mit Trillern europäisches Harmonieverständnis mit der Jazztradition, wie sie auch Gäbel in seinem Spiel stets verinnerlicht. Dessen Verwurzelung im Blues, Hard Bop, Funk und Swing ist aus jedem Ton herauszuhören und machen sein Spiel identifizierbar.
Der gerade 37 Jahre alt gewordene Musiker scheint eine Vorliebe für Intros mit Bass und Schlagzeug zu haben. Sowohl „Le Mans“ als auch das nachfolgende „Andulisia“ beginnen mit solchen sensiblen Duos, bevor Faraò mit ostinaten Akkorden antwortete und anschließend ständig zwischen Blockakkorden und fließenden Läufen in rasanten, perlenden Notenketten wechselt. In „Andulisia“ wiederum folgt der Duo-Einleitung von Bass und Drums eine nahezu balladeske Tenor-Passage, bevor der Keyboarder aggressiv und mit steigender Intensität die Führung übernimmt und die Band mit Dynamiksprüngen in ein hochenergetisches Spiel einsteigt.
Sein ins Ohr gehendes Melodie-Spiel kostet Gäbel in „Real Silk“ aus, der beseelten Hommage an Stevie Wonder. Bassist Gjakonovski leitet die Komposition mit einem harmonisch reizvollen Solo ein. Sanft streicht Burgwinkel die Felle seiner Drums, sanft spielt Faraò seine Keyboards in verspielten Single-Note-Läufen und sanft sowie getragen bläst Gäbel sein Tenorsaxophon bis zum fast gehauchten Finale. Solche ruhigeren Passagen baut Gäbel hier wie auch in der Zugabe „Thick blood“ geschickt ins Spiel mit federndem Funk sowie mitreißendem Powerplay samt schweißtreibenden Grooves ein.
So wie Denis Gäbel auf den Tenorsaxophon einen unverwechselbaren, individuellen Klang gefunden hat, so ist auch der Sound des Quartetts, in dem er und der Keyboarder den Ton angeben, eigenständig und klar zuzuordnen. Mit dem anpassungsfähigen, mal straight marschierenden, mal in Harmonien aufgehenden Bass sowie dem hin und wieder knallenden aber zumeist luftig, flexiblen und rhythmisch vielschichtigen Schlagzeug entsteht ein komplexer Klangkörper, der sich über Deutschland hinaus in der Jazzszene seinen Platz erobert hat. Kritiker bescheinigen dem Quartett zu Recht, dass Neon Sounds „eine Standortbestimmung in Sachen Power, Dynamik und Groove“ sei und ein Musiker auch in der Bewahrung von Tradition Neues schaffen kann.