Es ist ein starker Kontrast: „Nine Steps“, der Opener in diesem Konzert der Wormser Jazzinitiative BlueNite heizt mit groovenden und funky Rhythmen das Publikum an. Rockende Glissandoläufe auf der Gitarre, eine stupende Bass-Grundierung und ein treibendes Schlagzeug unterstreichen die Wirkung jener Mixtur aus Jazz, Fusion, Funk, Rock und Blues mit sparsamen Countryeinflüssen. Kurze Zeit später erklingt eine lyrische Single-Note-Linie auf der Gitarre, die von Sounds der mit dem Geigenbogen gestrichenen Platten des Vibraphons angerundet wird, während der Schlagzeuger mit Klöppeln die Becken zum Vibrieren bringt. Die Gitarre wechselt zu ostinaten Melodiefragmenten, die das filigrane Spiel auf dem Vibraphon begleiten. Mit solchen, Space-Sounds assoziierende Klängen, beschreibt Ede Janson Inspirationen, die ihm turtelnde Seepferdchen vermitteln.
Der Gitarrist und Komponist Ede Janson hat ein Faible für Meerestiere. Gleich drei Songs widmet er ihnen im Konzert des Quintetts mit dem Vibraphonisten Stefan Traub, dem Schlagzeuger Cay Rüdiger, dem Bassisten Gernot Kögel und der Sängerin Lisa Mosinski: Seepferdchen (Seahorse Moondance“), Wasserschildkröten (Dreaming Turtles) und Walen (Whale Song). Einige Latin-Kompositionen, wohl aus dem Repertoire von „Lightshy“, einer anderen Formation des Wormser Gitarristen, belegen etwa in „Sabinho“, wie genregerecht Musiker eine Samba rockig bearbeiten können. Als Spezialistin lateinamerikanischer Vokalinterpretationen zeigt sich Lisa Mosinski mit klarer und heller Kopfstimme auch in „El Lado oscuro“, das mit Tempo- und Intensitätssteigerungen im Mittelteil für Spannung sorgte, bevor es sanft ausklingt. Einfühlsam wird die Sängerin der eher transparenten Jobim-Komposition „Aqua de beber“ gerecht, um später mit mitreißender Jazzphrasierung in „Word up“ zugleich auf den Boden des schmutzig rauen Blues zurückzukommen. Eine solche wechselnde Ausdrucksstärke hätte man der Sängerin nach den leichten und tänzerischen Latin-Stücken kaum zugetraut. Ganz abgesehen davon, dass die Sängerin auch eine talentierte Moderatorin ist. „Word up“ ist das wohl jazzmäßig reinste Stück dieses langen Abends mit einem stilistisch weit gefächerten Programm.
„I need a second“, einer der beiden Kompositionen aus der Feder des Bassisten Gernot Kögel ( die anderen schrieb fast ausschließlich Ede Janson), nimmt das Publikum als gefühlsbetonte Ballade mit sanfter Besenarbeit und filigranen Vibraphonläufen sowie schwebenden Sounds auf der Gitarre über einer melodischen Bass-Basis gefangen. Den Gegenpol in diesem kontrastierenden Spannungsfeld bildet die Janson-Komposition „Fat Bang“ mit rockenden, verzerrten Saitenanrissen und elektronischen Verfremdungen auf der Gitarre, trockenem erdigem Bass und pulsierendem Schlagzeug.
Gelegenheit zu einer Demonstration vielschichtiger und polyrhythmischer Trommelarbeit erhält Cay Rüdiger in einem ausgedehnten Solo zum Finale von „Aqua de beber“. Stefan Traub erbietet mit einem Solo über „Clouds“ der Songschreiberin Joni Mitchel seine Referenz. Mit Echo, Hall und Loops zu sirrenden Bogenstrichen bleibt er im Vier-Klöppel-Spiel auf dem Vibraphon zunächst nahe an der Ursprungsmelodie, um später mit der Band sich improvisierend loszulösen und in einem zarten Verklingen auf das Thema zurückzukommen.
Eine Zuhörerin fasst noch in der Pause den Konzerteindruck treffend zusammen. „Da fährt man oft viele Kilometer, um sich bei Stars zu langweilen, wo man doch gerade mal um die Ecke so spannend unterhalten werden kann.“