Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Mit ihrer ausdrucksstarken und wandlungsfähigen Stimme, ihrem artistischen Einsatz bei der rasanten Reihung von Vokalisen, dem mitreißenden Scatgesang sowie der sensiblen Interpretation von Balladen und Liebesliedern nimmt die Vokalistin Anne Hartkamp das Publikum in der Anhäuser Mühle zwei Stunden lang gefangen.
Mühelos verbindet die Sängerin vokale Raffinesse mit expressiver Emotionalität. Beim Gemeinschafts-Konzert der Wormser Jazzinitiative BlueNite und des Jazzclubs Rheinhessen bleibt ihre Stimme zwar das tragende Soundelement, fügt sich dennoch in den Gesamtklang des Quartetts ein, in dem Pianist Thomas Rückert mit perlenden Läufen und dramatischen Akkord-Schichtungen, Bassist Andre Nendza mit straight marschierendem Kontrabass und Oliver Rehmann mit differenzierendem Schlagzeugspiel kongeniale Partner sind.
Auf der Bühne der Monsheimer Kultureinrichtung windet sich die Sängerin im Takt, haucht und schreit, jongliert mit Geräuschen und Sounds, seufzt und zischt oder singt mit warmem Alt. Sie steigt in die höchsten Tonlagen, scattet in abrupten Dynamiksprüngen, lässt ihre Atemstöße knallen oder sanft verschweben. Wenn das Trio instrumental die Thelonious Monk-Komposition „Well you needn´t“ auf das Harmoniengerüst reduziert und wieder neu zusammenfügt, Pianist Rückert die eigenwillige Sequenzierung des Originals aus den Tasten des Keyboards reißt und Bassist Nendza in einem langen Solo das Motiv in reizvollen Harmonievariationen sowie überraschenden Wendungen zupft, dann steht die Sängerin am Rand der Bühne, krümmt sich und tanzt verhalten, singt aber immer mit. Unhörbar manchmal und sich selbst des Themas vergewissernd, aber doch stets präsent.
„Well you needn´t“ ist der einzige Standard dieses Konzertes neben dem Dutzend Eigenkompositionen Hartkamps, die die Sängerin in der Regel mit charmanter Moderation erläutert. So „Green song“, der nach einem langen Winter ihre Sehnsucht nach dem ersten Grün in der Natur musikalisch interpretiert, die bluesgeschwängerte Komposition „Paper bird“ über einen Piepmatz aus Papier, die ihr viel Raum für Oktav- und Dynamiksprünge lässt, und in der Nendza mit dem Bogen auf dem Bass zirpende Töne streicht sowie Rehmann die Becken zum Zwitschern bringt.
Rückert führt mit einer lyrischen Single-Note-Linie zu einem sanften Klöppelspiel des Rehmanns auf den Trommeln in das Konzert des Anne Hartkamp-Quartetts ein, bevor die Sängerin nach einem Wechsel zur Up-Tempo-Passage mit Vokalisen das Thema von „Dance #2“ aufgreift. „Catching butterfly“ ist aus einem quintenorientierten Gerüst entstanden. Rückert unterstreicht Hartkamps Sprechgesang mit sparsamen Akkordeinwürfen, denen fließende und perlende Läufe folgen, die vom gradlinig gezupften Bass gestützt werden. Mal Lässt sich die Sängerin in ein Duo mit dem Bassisten ein, mal scattet sie im Ruf-Antwort-Spiel mit dem Schlagzeuger.
„Dance #2“, ein Up-Tempo-Stück zu offiziellen Abschluss des Abend und vor der Zugabe Sea time“ bietet Anna Hartkamp die Möglichkeit, den artistischen Einsatz ihrer Stimme voll auszukosten. Mal plappert die Sängerin wie eine trotzige Göre, klagt mit gebrochener Kleinmädchenstimme oder singt verrucht wie eine Diva. Sie fasziniert mir rasenden Vokalisen während Rehmann den Stick auf dem Beckenrändern zischen und Nendza den Bass mit dem Bogen pfeifen lässt. Anne Hartkamps Kompositionen sind komplex strukturiert und deshalb weitgehend notiert. Thomas Rückert ist ein so virtuoser Pianist dass man sich mehr freie Improvisationen bei seinen Soli wünscht und Andre Nendzas Alleingang in der Monk-Komposition macht ebenfalls Lust auf mehr.