Chronik des ehemaligen Jazzclub Zoom15
Damit fing alles an:
Hersbrucker Zeitung, Mittwoch 06. Januar 1965 |
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Eine ausführliche Chronik in gedruckter Form
ist fertig!! Es gibt
sie zum erneuten Treffen am 28.07.2007.
Ist leider inzwischen vergriffen!
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Ostbahn-Keller mit Eingang 20.07.1968
Zeichnung © Hartmut Sobaglo |

Wandgemälde Ostbahn-Keller
Zeichnung © Hartmut Sobaglo |
Hersbrucker Zeitung, Montag, 20. September
1965 Nummer 218 |
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Wo man am Vorabend der Wahl nicht von diesem Ereignis sprach
Im Jazzclub »Zoom 15«
Es ist keine Bildungslücke, wenn man diesen Namen nicht deuten
kann, aber recht interessant, jene bunte Gesellschaft kennen zu
lernen - 12 Stufen im "Untergrund" |
HERSBRUCK (hm). Wird am Vorabend der Bundestagswahl irgendwo in
Hersbruck nicht von der Wahl gesprochen? - Diese Frage führte uns am
Samstag in die Straßen der Stadt. Es regnete leicht. Das grobe Pflaster
des menschenleeren Unteren Markts schimmerte im Licht der hellen
Schaufenster. Vor dem Haus Nr. 15 stand ein junger Mann:
Rollkragenpulli, schwarze Schifferhose und sichtlich kein Taschengeld
für den Friseur. Aber er nahm, als wir ihn ansprachen, höflich die Hände
aus den Taschen und wußte auch, wo man an diesem Abend nicht von der
Wahl sprach: Zwölf Jahrhundertealte, ausgetretene Steinstufen unter dem
Pflaster, auf dem wir standen, im "Jazzclub Zoom 15". dem er angehört
und in dem wir Minuten später landeten. Es ist keine Bildungslücke,
nicht zu wissen, was "Zoom 15" heißt. Es schadet aber auch nichts, etwas
von diesem von manchem vielleicht geschmähten "Club" mit dem etwas
geheimnisvollen Namen zu wissen. Nun; "Zoom" heißt englisch etwa
"emporreißen" und die 15 ist einfach die Hausnummer des Anwesens, in dem
sich der Jazzkeller befindet. Der junge Mann hat ein Zeichen
geklingelt. Vom Gang des Hauses geht es mit eingezogenem Kopf eine
halsbrecherische Kellertreppe hinab. Das Treppenlicht hat nur kurz
aufgeleuchtet; die Lampe läuft nämlich auf den Hauszähler und die jungen
Leute möchten keine unnötigen Spesen machen. Hinter einer
plakatbeschlagenen Brettertür dröhnt ein Plattenspieler. Wir treten in
ein etwa. zehn Meter langes und gut vier Meter breites Gewölbe. Kahler
Ziegelboden, an den Wänden baumeln Jugendstilbilder, ein ausgedienter
Feuerwehrhelm, ein verrostetes Visier von einer alten Ritterrüstung; auf
einem Piano, auf dem sicher schon um die Jahrhundertwende das "Ännchen
von Tharau" gespielt wurde und das auch so klingt, als sei es um jene
Zeit das letzte Mal gestimmt worden, schaut ein griechischer
Jünglingskopf sinnend in die Ferne, als suche er in dieser Umgebung
vergeblich das klassische Zeitalter. Die gelbe Neonröhre konkurriert mit
etwa einem Dutzend Kerzen in Löchern der uralten Mauern oder auf leeren
Flaschen. Von ihnen zucken unruhige Schatten über das Gestein und über
die bunte Gesellschaft, die hier - auf alten Sofas, deren Sprungfedern
teilweise schon unter der Last eines Einquartierungssoldaten des 70er
Krieges brachen, und in Polstersesseln, die bei der "Abfuhr sperriger
Güter" noch einmal davon gekommen waren - in Gruppen zusammensitzt und
mitwippend der Jazzplatte lauscht, sich um ein Buch schart oder über
einen Film diskutiert. Es sieht alles ein wenig verrucht aus; aber es
ist nur "habitus", ein bißchen trotziger Avantgardismus, wie der Aufzug
mancher der rund 20 Mädchen und jungen Burschen im Alter zwischen 15 und
20 Jahren. Die Mädchen tragen ohne Ausnahme lange Hose, bequeme
Mokassins und Pullover, die jungen Männer Blue jeans und Pulli, aber
auch korrekte Anzüge-mit Binder. Die oder jenen hat man schon im
adretten Schulschlußfeierkleid oder dunkelblauen Anzug und weißen Kragen
im Schülerorchester der Oberrealschule oder im Chor gesehen" oder au£
dem Sportplatz unter den Ersten eines Wettkampfs. Was zieht sie
hierher? Wir fragen. "Es gefällt uns einfach hier!" - "Diese Musik geht
unseren Eltern vielleicht auf den Wecker, deshalb hören wir sie uns hier
an!" - "Jeder von uns besitzt nur einige Platten davon, wenn wir sie
aber zusammenlegen, haben wir eine ganz ; schöne Sammlung!" - "Hier
kostet der Aufenthalt nichts!" - Das sind einige der Antworten.
Tatsächlich schont hier jeder seinen Taschengeld-Etat. Es gibt nichts zu
trinken - es sei, man legt einmal für einen Kasten Cola zusammen. Es
wird nicht getanzt. Man tauscht Bücher aus, liest sich " Nonsensverse"
oder Ringelnatz vor oder hört sich Georg Kreisler'sche Unsinnigkeiten
mit Sinn an. Da liegen Bücher: Weyrauch "Deutsche Lyrik seit 1945" oder
"Jazz - Gesicht einer Musik". Man "verzapft" auch zwischendurch Sprüche
wechselnden geistigen Niveaus, wie jenen, der - mit Kerzenrauch an die
Wand gemalt - sich ein bißchen verschämt hinter einer Sessellehne
verbirgt: "Ein Schweißfuß kommt selten allein" oder jenen auf einem
größeren Bruchstein in der Gewölbedecke,. der ebenfalls mit Kerzenruß
als "Der Stein der Weisen" bezeichnet ist. Manche rauchen. Auch die
vielleicht etwas über 16 jährige, die sich gerade -- noch etwas unsicher
- über die Tropfkerze auf der Flasche vor ihr auf dem Boden beugt und
den Glimmstengel anbrennt, den Rauch aber gleich wieder fortbläst.
Auch die beiden Väter, die hier nacheinander einmal urplötzlich
aufgetaucht waren - die Eltern wissen, so wurde versichert, wo sich die
Mädchen und Burschen aufhalten - hatten zwar über das "Miljöh"
geschmunzelt, aber nichts beanstandet. Die jungen Leute laden auch
spontan eventuelle Kritiker ihres "Freizeitgestaltungsstils" ein, sie im
Keller zu besuchen. Als wir fragen, ob wir fotografieren dürfen, bejahen
alle gelassen. Niemand von ihnen will sich oder sein Tun verbergen.
Untereinander kennen sie sich oft nur mit dem Vornamen: Michael, Bernd,
Günther, Harald, Reiner, Gisela, Ilse, Gris, Lisi, Edith, Ruth; sie sind
Schüler oder junge Leute in der Berufsausbildung. Was ihre Väter sind,
das wissen sie voneinander meist nicht. Es interessiert sie auch
garnicht. Der andere ist auch ein Jazz-Fan, mit ihm läßt sich über das
Fotografieren fachsimpeln, der ist Sportfanatiker, jener versteht etwas
von moderner Graphik - das genügt. Denn sie haben alle auch andere,
durchaus "normale" Interessen: Briefmarkensammeln, Sporteln,
Fotografieren; einer musiziert. Er hämmert hier einen Schlager auf dem.
erst in jüngerer Zeit erworbenen Klavier, für dessen Transport in den
Keller fünf der steinernen Stufen mühevoll ausgebaut aber von einem
Fachmann in ihrem Kreis wieder eingesetzt wurden.: Zwischendurch
klingelt es immer wieder einmal. "Besuch" kommt; junge Leute aus dem
zweiten, dem schon länger existierenden Jazz-Keller unter dem
Spitalturm. Auch einige vom "Zoom 15" schwingen sich gegen ½ 10 Uhr auf
ihren vor dem Haus angebundenen "Drahtesel", um dem anderen Keller noch
einen Besuch abzustatten. Dort spielt heute eine Nürnberger "Band".
"Zapfenstreich" ist hier meist gegen 23 Uhr; die jüngeren gehen
allerdings, schon gegen 22 Uhr. Zurück bleiben niedergebrannte
Kerzen, ein paar Wachsflecken auf dem alten Sofa - worüber niemand
schimpft - ein bißchen blauer Dunst und "Adam", der Griechenjüngling
("der erste und einzige Gipskopf im Keller", wie er respektlos genannt
wird). Vielleicht hätte er sich im Laufe des Abends, wenn der
Plattenspieler lief, gelegentlich gerne die Ohren zugehalten, aber er
besteht nur aus Kopf. Vielleicht wackelt er damit auch ein wenig auf dem
alten Klavier, während er ins Dunkel träumt, und denkt sich; "Nein,
diese heutige Jugend!?" Aber am nächsten Samstag ist er doch wieder ganz
froh in ihrer bunten Gesellschaft. |

Unterer
Markt 15
18.09.1965 |
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Unterer
Markt 15, Noris City Stompers (15.04.1967)Hanno
Kohl, tb.
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Keller
Unterer Markt 15
(30.07.67)
Zeichnung ©Hartmut Sobaglo |

Dixie-GmbH. 2.12.1967 mit Connie Wagner
tp |
Fasching - Dixie-GmbH. 17.02.1968 Connie Wagner
tp ?
ss Gunther Kohl
b |
Fasching
17.02.1968 Dixie-GmbH.
mit Sigi Karbe und Geri (Quin) Baggott, Gerhard Frank |

Mitgliedskarte (Unterer Markt 15)

Mitgliedskarte (Ostbahn - man beachte die inflationäre
Beitragsentwicklung!) |
Mitgliedskarte Ostbahn
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Von links: M. Gölling, J. Gründer, H. Habel, H. Hummer, G. Tobisch,
H. Thiel. Von hinten: R. Neugebauer.
NZ Nr. 74 - Seite 13 - Vier-Jahres-Feier 1969 |

Ostbahn-Keller
Zeichnung ©Hartmut Sobaglo |
Seit vier Jahren besteht in
Hersbruck der Jazzclub "Zoom 15" eine private Vereinigung junger
Leute. Ihr großes Ziel ist es,
den Jazz auch in der Provinz populär zu machen. In einem
Kellergewölbe, das die Clubmitglieder selbst bemalt und eingerichtet
haben, treffen sie sich jeden Samstagabend. Außer Schallplatten ist
dann natürlich auch die „Hausband“ zu hören. Auf Kämmen, einer alten
Vase, einem Waschbrett und einem Banjo wird Musik gemacht. Sogar im
Nürnberger Jazzstudio am Paniersplatz war die Gruppe einmal zu Gast.
Foto: Bruckner |
Vorne: M. Gölling
H. Hummer J. Gründer
02. oder 09.08.1969: hinten: G. Tobisch H. Thiel
Ganz vorne: R. Löhner |
Hinten: G. Tobisch H.
Thiel G. Frank
Vorne: F. Degel J. Nowak W. Adler B. Hoffmann |
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1969 - Im Hintergrund die Noris City Stompers, vorne von links: S.
Karbe, B. Clemens, G. Koffler, W. Schärdel, E. Birr, F. Unger |

23.02.1971 Noris City Stompers
Mitte: C. Angermann, rechts. W. Zeltner |
Aufgenommen
im Zoom15, anlässlich eines Auftritts beim "Ball der Werbung" am
12.11.1971
Hinten: H. Thiel, H. Habel, H. Datzer, G. TobischVorne: M. Gölling, J.
Gründer, H. Hummer
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Hersbrucker Zeitung, 1970
Eindrücke von einem Besuch im Hersbrucker Jazz-Club »Zoom I5«
Keller-Kinder 1970
Was lockt sie, ihr behagliches Zuhause gegen eine „Wohnhöhle" zu
tauschen
Ausbruch aus dem allzu sterilen Wohlstandsalltag? - Versuch einer
Deutung |

Frühjahr 1970, Ostbahn-Keller
Zeichnung © Hartmut Sobaglo
HERSBRUCK
(hm). Es begann wie bei Durbridge, dessen zweite
Krimi-Fortsetzung um die gleiche Stunde über die Mattscheiben flimmerte:
"Wie ein Blitz" erhellten die Scheinwerfer unseres Wagens plötzlich ein
am Wegrand querstehendes Auto. Aber das Vehikel hatte nur die harmlose
Aufgabe, mit einem an seiner Seite angebrachten Schild zu bitten: "Im
Hof keine Autos abstellen!" Das Schild war ein Anhaltspunkt; wo aber
sollten wir den Jazzkeller "Zoom 15" nun wirklich finden, zu dessen
Besuch uns Zoom-Anhänger eingeladen hatten, weil der Keller, gern
besuchter Treffpunkt junger Leute, allen Unkenrufen zum Trotz nun schon
fünf Jahre besteht? Aber kein Unkenruf in der stillen Nacht wies uns
den Weg. Wir drehten langsam in dem dunklen "Off Limits "-Hof eine Runde
und holperten dann den Feldweg, der uns von der Ostbahnstraße weggeführt
hatte, noch weiter nach Westen. Mit einem Mal trafen die Scheinwerfer,
die den leichten Nebel durchbohrten, wieder eine Autokarosserie, dann
eine zweite, und schließlich zeigte eine ganze Reihe solch blecherner
Buckel vom fahrbaren Untersatz Marke "Eigenbau" bis zum rasanten roten
Renner an, daß wir wohl am Ziel waren. Da tat sich auch schon unter
einer trüben Lampe, die gerade noch auf die Buchstaben "Zoom 15" an
altem Gemäuer leuchteten, eine hölzerne Tür auf, und hinter zwei
bärtigen jungen Männern quollen Licht und Lärm in die Nacht heraus.
Mit einem dumpfen Schlag des glücklicherweise noch durch den Hut
geschützten Kopfes gegen den für erwachsene Erwachsene zu niedrigen
Türstock aus soliden Ziegeln zahlen wir "Eintritt". Ein paar Schritte
über wacklige Bretter und dann stehen wir, unter einen neuen Türrahmen
gebückt, am oberen Ende einer besseren, weil breiteren und hoffentlich
tragfähigeren "Hühnerstiege" und blicken hinab in einen brodelnden
Vulkan. Am Fuße der "Hühnerstiege" faucht ein Bunkerofen wie eine auf
den Kopf gestellte Saturn-5-Rakete kurz nach dem Zünden Hitze in den
Raum, aus einer Ecke hämmert Jazz gegen unseren vom Türrahmenrammstoß
noch brummenden Kopf und unter uns lagern, hocken, stehen, unterhalten
sich auf etwa 100 Quadratmeter Platz rund 150 teils langmähnige, teils
bärtige, und die meisten in abenteuerlichen Aufzügen steckende junge
Leute. "Lasterhöhle" könnte jetzt einer denken, der hier kehrtmacht
und wieder in die Nacht hinaus verschwindet. Aber da winken sie herauf,
lachend, machen höflich Platz, sagen "Bitte schön" und man erkennt sie
nach und nach: die langaufgeschossenen freundlichen Jungen aus der
Nachbarschaft, die bei der Begegnung auf der Straße manchmal noch
knicksenden, immer heiteren Töchter des Herrn ...... den schlaksigen
Sohn "aus guter Familie", die "höhere Tochter", wie man sie früher
einmal charakterisiert hätte. Während wir uns durch die Gruppen zu
einer winzigen, noch freien Insel hindurchschieben, über der Kaiser
Franz Joseph in Farbe und Goldrahmen wacht und wohlwollend den jungen
Mann betrachtet, der den Bart wie er trägt, fragen wir uns, was sie wohl
hierher führt? Was sie veranlaßt, ihr bestimmt gemütliches, gepflegtes
Zuhause gegen diesen "Apachenkeller" zu tauschen; ihre schicken, sonst
mit sicherem Selbstbewußtsein durch den Tag getragenen modischen
Kleidchen im Schrank hängen zu lassen, alte Jeans anzuziehen und einen
Pullover, der von der letzten Winterhilfswerkssammlung übriggeblieben zu
sein scheint; das Haar gekonnt unfrisiert zu lassen, ihr Cola aus der
Flasche zu trinken? Nur, um sich mit Gleichaltrigen zu treffen? Das kann
man auch im Cafe, in der Eisdiele, beim Sport. Um sich unkontrolliert
austoben zu können? Dazu nehmen sie unsere Anwesenheit zu selbstsicher,
mit zu heiterer Gelassenheit hin. Hätten sie etwas zu verbergen. würden
sie uns wahrscheinlich als Störenfried betrachten. Nichts dergleichen.
Ein paar Jahre jünger und noch ein paar Haare mehr auf dem Kopf und wir
würden einfach untergehen, so viel und so wenig beachtet, wie jede und
jeder andere in dieser "Konservendose". Zuhauf sollten sie nach der
Einladung ihrer Clubmanager zu ihrem kleinen Keller-Jubiläum, dem 5.
Jahrestag ihrer Gründung, kommen. Und zuhauf waren sie gekommen, aus
Hersbruck, dem Landkreis und aus den Landkreisen Lauf und
Sulzbach-Rosenberg. Neben den Colaflaschen stehen heute auch
Bierflaschen auf den "Tischen", wobei unter dieser Möbelbezeichnung
alles zu verstehen ist, was einen handtellergroßen Abstellplatz bietet.
Bei der Gründung des Kellers - er etablierte sich erst in einem
Tiefgeschoß am Unteren Markt und trägt von dort her noch die Hausnummer
15 - war Alkoholausgabe verpönt. Das scheint, wenig stens für diesen
Abend, anders geworden zu sein. Es gehört wohl ein bißchen zum Feiern.
Plötzlich versteht man in diesem Trubel eine Frage des Gegenübers, ohne
daß dieser schreit. Und da merkt man, daß die "Noris-City-Stompers",
eine mit dem "Zoom" seit seiner Gründung eng verbundene Band aus
sympathischen Jazzmusikanten, eine kleine Pause gemacht haben. Aber
gleich stampft der Zugposaunenbläser mit dem Fuß wieder den
"Einsatz-Count-down" auf die Dielen, daß der Boden schwankt. Und alle
ringsum, ob sie sich gerade über Autos oder die Rolling Stones
unterhalten, wippen und zucken im Rhythmus mit. Hier ist vielleicht eine
Antwort auf die Frage, weshalb sie sich hier treffen: um einmal
Jazzmusik hören zu können, ohne daß der Nachbar gegen die Wand oder
Onkel Oskar gegen die Decke klopfen. Aber diese Antwort allein reicht
wohl nicht. Vielleicht ist ihr Hiersein wirklich ein Ausbruch aus
unserem allzu perfektionierten, allzu sterilen Wohlstandsalltag, ein
symbolisches Fesselnsprengen. Verhaltensforscher und Psychologen wissen,
daß Menschen - Kinder wie Erwachsene -die sich nie einmal austoben
können, die nie auf harmlose Art ihren natürlichen Aggressionstrieb
abreagieren können, die immer "Haltung bewahren", oft einen seelischen
Knacks davontragen, eines Tages unter Neurosen leiden werden. Nun ist
es möglicherweise doch zu hoch gegriffen, Verhaltensforschung und
Psychologie zu bemühen; vielleicht - nein, ganz sicher - sind unter den
fast 150 Mädchen und jungen Männern auch welche, die sich nur in eines
der alten, zersessenen Sofas kuscheln wollen (von denen sich der über
dem scheppernden Klavier hängende "eiserne" Kanzler Bismarck sichtlich
mit Grausen wendet), um dem Freund oder der Freundin nahe zu sein, mit
jener beglückenden Zärtlichkeit, die früher den Gymnasiasten mit
blütenweißem Kragen den Mut fassen ließ, das Händchen des darob
errötenden, knackfrisch gebügelten Pensionatstöchterleins zu ergreifen.
Nur sind die Zeichen der Zuneigung offener geworden; ehrlicher, so
werden die einen sagen, unverschämter die anderen. "Zu unserer Zeit
hat es sowas nicht gegeben!" wird von manchem da entrüstet festgestellt.
Aber kann man "unsere" Zeit mit der heutigen überhaupt vergleichen.
"Unsere Zeit" hat auch nicht überall so entzaubernd die anatomische
Landschaft zur Schau gestellt und an Zeitschriftenständen und in
Auslagen Gefühlszustandsanalysen und Bettverhaltungs-maßregeln gegeben,
wie es die heutige tut - was die Jugend nicht zu verantworten hat; da
sind ihr die Erwachsenen Vor-Bild. Man muß dann schon sehr inkonsequent
sein, wenn man die auf die Lüsternheit der Erwachsenenwelt spekulierende
vielzitierte "Eskalation des Sex" (oft gerne) billigt, von der Jugend
aber Puritanismus verlangt. Möglich, daß solche Ansicht Traum neben
der Wirklichkeit ist, jener Zustand, über den zwei Studentinnen an einem
Tisch philosophieren, die "sich für diesen Kreis nun fast schon zu alt
fühlen", die aber zu der flotten Feier kamen, weil sie vor fünf Jahren
Mitgründerinnen waren. Soll man einen Menschen aus seinen unrealen
Träumereien in die Wirklichkeit reißen oder nicht, das ist die von ihnen
diskutierte Frage, die wohl auch an diesem Abend unbeantwortet bleibt.
Auf der "Hühnerstiege" sitzt einer und zeichnet einen der Mädchenköpfe
da unten, ein anderer Mädchenkopf sieht ihm, an seine Schulter gelehnt,
versonnen zu. Ein Paar tanzt spontan. Man hat ihm einen Quadratmeter
Platz gemacht. Es ist Jazz-Akrobatik, was sie da tanzen. Am Ende rühren
sich ein paar Hände und dann verschluckt der sich schließende Kreis die
zwei wieder. Jetzt schart sich eine Gruppe um die "hauseigene" Band. Auf
einem Waschbrett, einem Plastikstreifen und mit einem Tonkrug wird ganz
passable Begleitmusik zu einer vom Klavier fortgeführten Melodie
gemacht. Man merkt den Akteuren den Spaß an der Freud an. * "Darf
ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?", fragt die "höhere Tochter" hinter
der "Bar" mit heißem, fröhlichem Gesicht, in das ein paar Haarsträhnen
hereinhängen, während sie Gläser spült und mit einem Lappen die Spuren
eines umgeschütteten Getränks tilgt. Morgen werden wir sie auf der
Straße wiedertreffen als eine Verwandelte im roten Knautschlackmantel,
mit modischer weiter langer Hose, der Tasche am angewinkelten Arm und
damenhaft gemessenem Gegengruß. - Sind wir nicht alle mehr oder weniger
geschickte Komödianten in diesem "großen Welttheater"? Dieser Gedanke
begleitet uns, während wir mit unseren mühsam wieder zusammengesuchten
Sachen über die Hühnerstiege hinauf von dieser, nur einer seiner bunten
Bühnen in die Nacht hinaus zum Wagen stolpern und ihn durch die
Feldwegfurchen zur Straße würgen, die in den Alltag zurückführt.
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Montag, 13. März 1972 - Hersbrucker Zeitung
HERSBRUCK STADT UND LAND
Gleich zweimal innerhalb 12 Stunden brachen im Landkreis Hersbruck
Brände aus
Feuerlohe über Hersbruck-Ostbahn
Der große Schramm'sche Hopfenstadel wurde, einschließlich des
Beatkellers "Zoom", ein Raub der Flammen - Schaden: etwa
150 000 DM - In Pommelsbrunn brannte Schneidsäge der Weidenmühle fast
völlig aus - Durch zündelnde Kinder verursacht?
Der "Beatkeller Zoom" war natürlich der Jazzkeller Zoom15.
Aber im gleichen Gebäude, auf der anderen Seite befand sich ein
Beatkeller. (H.T.) |
Flammen schlagen aus dem Seltengiebel des großen Schramm'schen
Hopfenstadels im Ostbahn-Stadtteil (links). Um ein weiteres
Umsichgreifen des Feuers zu verhindern, gehen einige Wehrmänner über
die Motordrehleiter zum Innenangriff vor (rechts). |

HERSBRUCK (ep). Zweimal Innerhalb zwölf Stunden ertönte am
Wochenende im Landkreis Hersbruck Feueralarm.
Am
Samstag gegen 17.30 Uhr brach im Anwesen der Weidenmühle in Pommelsbrunn ein
Brand aus, bei dem das zu dem Anwesen gehörende Sägewerk fast völlig
eingeäschert wurde.
Erheblich größeren Schaden verursachte
ein Feuer in Hersbruck-Ostbahn, das am frühen Sonntagmorgen das weitläufige
Hopfenlagergebäude der Hopfenhandlung Schramm & Söhne zum größten Teil
zerstörte.
Kurz nachdem gegen 4.50 Uhr der Brand im
Schramm'schen Hopfenstadel entdeckt worden war, schlug das Feuer bereits
aus dem
Dachstuhl. Im Nu stand, weithin sichtbar, eine Feuerlohe über dem westlichen
Ostbahnstadtteil.
Noch am Sonntag
vormittag mußten Wehrmänner das immer wieder
aufglimmende Gebälk löschen.
Das Feuer hatte im westlichen
Teil des Gebäudes, in dem sich der Beatkeller „Zoom 15" befindet, seinen
Ausgang genommen — ob von unten nach oben oder umgekehrt, müssen erst die
Untersuchungen ergeben. Der Brand breitete sich entgegen der Windrichtung
nach Osten aus, weil er in den alten Holzböden mit dem darauf lagernden
Hopfenmehl gute Nahrung fand. Die Hersbrucker Feuerwehr war rasch zur
Stelle. In konzentriertem Einsatz gelang es ihr unter der Leitung des
stellvertretenden Kommandanten Kopp, das angrenzende
Hopfenaufbereitungsgebäude und das Wohnhaus abzuriegeln. Zu diesem Zweck
wurde auch ein
Innenangriff mit der
Motordrehleiter gestartet, über sie stiegen mehrere Männer in eine Dachluke
ein, um das Feuer zu bekämpfen, das sich unter dem hier noch unbeschädigten
Dach auf dem Holzboden weiterfraß. Alle Fahrzeuge der Stützpunktfeuerwehr
waren im Einsatz. Mit sieben Strahlrohren gingen die Männer gegen das Feuer
vor, wobei manchem in der Kälte die Uniform gefror — denn ausgerechnet in
dieser Nacht war der Winter mit Eis und Schnee zurückgekehrt! Als wegen des
forcierten Einsatzes der Wasserzufluß nicht mehr ausreichte, schaltete der
städtische Wasserwart den Tiefbrunnen an der „Stech" ein und pumpte von dort
aus Wasser in die Leitung. Der heftige Ostwind fachte zwar die Flammen an,
er sorgte jedoch auch dafür, daß das Feuer sich nicht weiter nach Osten
ausbreitete. Dort lagerten im gleichen Gebäude beträchtliche Folienvorräte,
die dem Feuer neues „Futter" gegeben hätten.
Der größte Teil des Gebäudes,
einschließlich des „Zoom", brannte vollständig aus. Der Schaden beträgt
schätzungsweise
150 000 DM.
Die Ermittlungen über die Brandursache werden von
der Kriminalaußenstelle Schwabach geführt.
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Foto: W. Arnold |
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