Der Saxophonist und Klarinettist Tobias Delius wurde mit dem Jazzpreis Berlin 2025 ausgezeichnet. Die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde am 22. Juli 2025 im Studio 14 des rbb verliehen. radio3 vom rbb und die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt ehrten damit einen Musiker, der seit 2007 die Berliner Improvisationsszene entscheidend mitprägt.
Der 1964 in Oxford geborene Delius wuchs in Nordengland und später in Bochum auf, wo er als Teenager das Tenorsaxophon für sich entdeckte. Nach ersten musikalischen Erfahrungen in Mexiko führte ihn sein Weg nach Amsterdam, wo er schnell von der Theorie zur Praxis wechselte und dem renommierten Instant Composers Pool Orchestra (ICP) beitrat. Seit seinem Umzug in die deutsche Hauptstadt hat sich Delius als vielseitiger Kollaborateur etabliert, der sowohl mit etablierten Größen wie Alexander von Schlippenbach als auch mit jüngeren Musikern wie Christian Lillinger zusammenarbeitet.

Die Jury würdigt besonders Delius‘ charakteristischen „erdig-präsenten Ton“ und seine stilistische Vielseitigkeit. Seine Kompositionen verbinden Elemente aus verschiedenen Epochen und Genres – von Swing und Bop über lateinamerikanische Rhythmen bis hin zu folkloristischen Anleihen. Dabei entstehen musikalische Szenarien, die durch ihre Großzügigkeit im Umgang mit Zeit und Raum bestechen.
In einem Interview beschreibt Delius seinen Ansatz zur Improvisation: „Es ist nicht so, dass man sich zu Hause alles ausdenkt und dann versucht, die Musiker dazu zu bringen, das zu spielen, was man sich zu Hause ausgedacht hat. Beim Improvisieren gibt es viel Interaktion mit den anderen Musikern, die auch Dinge einbringen.“ Diese Philosophie spiegelt sich in seinem Umgang mit Kompositionen wider, die er als kurze melodische Linien anlegt, während der Rest völlig offen bleibt.
Besonders bemerkenswert ist Delius‘ Verhältnis zu seinem Publikum. Obwohl er weiß, dass experimenteller Jazz nur ein begrenztes Publikum findet, lässt ihn das nicht frustrieren: „Ich kann nicht anders, als das zu tun, was ich tue. Ich mache, was mir gefällt, und möchte das vermitteln. Das reicht mir.“ Diese authentische Haltung macht ihn zu einem Vorbild für nachkommende Generationen.
Das Preiskonzert wurde live auf radio3 übertragen. Delius präsentierte sich mit zwei verschiedenen Trio-Formationen: dem Booklet Trio und dem Mullet Trio. Das Booklet Trio arbeitet mit einem besonderen Konzept – einem kleinen Notenheft, das Delius immer bei sich trägt und das als improvisatorischer Impulsgeber dient. Diese Stücke können während des Spiels auftauchen oder auch nicht und fungieren eher als „destabilisierende Faktoren“ denn als festgelegte Strukturen.
Neben seinen etablierten Projekten arbeitet Delius bereits an neuen Formationen. Das kürzlich gegründete Quartett „Apa Ini“ mit Hillary Jefferey (Posaune), Wilbert de Joode (Kontrabass) und Serigne Gueye (Schlagzeug) wird demnächst eine Aufnahme bei Data Records veröffentlichen. Zusätzlich erhielt er einen Kompositionsauftrag für das internationale Festival November Music, das Veranstaltungsorte in Den Bosch, Gent und Essen verbindet.
Der Jazzpreis Berlin zählt zu den wichtigsten Auszeichnungen für Jazzmusiker in Deutschland. Die Jury bestand aus Robert Mießner (Journalist), Almut Schlichting (Saxophonistin), Jacobien Vlasman (Veranstalterin und Sängerin), Tilo Weber (Schlagzeuger), Dirk Hühner (rbb, Vorsitz) und Claudia Schurz (Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, ohne Stimmrecht).
| Tobias Delius (Doek)
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